Sechzehn fünzig – 16.50 ab Paddington

Ein weiterer Fall für Miss Marple!

Agatha Christies 49. Kriminalroman 16 Uhr 50 ab Paddington (Originaltitel: 4.50 from Paddington) gehört zu den bekanntesten Romanen der Autorin. Dies liegt sicher auch mit an den vielen und bekannten Adaptionen des Stoffes für Film und Fernsehen. Der in England am 04. November 1957 in Collins Crime Club veröffentlichte Roman ist der insgesamt siebte Fall für Agatha Christie´s Amateur-Detektivin Miss Marple. Die alte Dame löst – mithilfe von zwei weiteren nicht mehr ganz jungen Tanten – eine pikante Affäre, bei der es um eine dysfunktionale Familie, viel Geld und einen wirklich intriganten und perfiden Mörder geht, dem gleich drei Menschen zum Opfer fallen. Wie so oft bei Agatha Christie ist der Roman als ein Art Kammerspiel angelegt und spielt hauptsächlich auf dem Anwesen der Familie Crackenthorpe, ehemaligen Keksfabrikanten. Der im Titel angesprochene Zug von Paddington nach London hat allein zu Beginn und für das Ende der Ermittlungen eine echte Bedeutung. Anders als man es bei dem Setting annehmen könnte ist es weder der Butler noch der Gärtner, denen ein Sprichwort ja nachsagt, immer der Mörder zu sein, noch ein Familienmitglied der Crackenthorpes, der sich am Ende als Täter herausstellt.

 

Was Mrs. McGillicuddy sah

Mrs. McGillicuddy nimmt den Zug von London nach Hause aufs Land. Als der Expresszug von Paddington Station Mrs. McGillicuddys langsameren Zug überholt, schaut die Dame interessiert aus ihrem Abteilfenster hinüber, was die Reisenden im Expresszug so treiben. Zuerst passiert nichts außergewöhnliches, doch dann beobachtet sie, wie in dem vorbeiziehenden Zug ein Mann, von dem sie allein die Hände sieht, eine junge Frau zu erwürgen scheint. Schockiert sucht sie nach ihrer Reise umgehend ihre gute Freundin Miss Marple in St. Mary Mead auf, von deren kriminalistischen Ambitionen sie natürlich weiß. Gemeinsam melden Miss Marple und Mrs. McGillicuddy das Geschehen der Polizei in St. Mary Mead, aber als weder eine Leiche noch Spuren eines Kampfes zu finden sind, tut die Polizei das Ganze als Einbildung einer etwas überspannten älteren Dame ab. Natürlich lässt Miss Marple das nicht auf sich sitzen und macht sich an die Arbeit.

 

Das Anwesen der Crackenthorpes und der Maulwurf

Gemeinsam mit Mrs. McGillicuddy unternimmt Miss Marple noch einmal genau dieselbe Zugfahrt und macht dabei ein Anwesen aus, dessen Gartenmauer nah bis an die Bahngleise heranreiche. Ein perfekter Ort, um die Leiche, nachdem man sie aus dem Zug geworfen hat, verschwinden zu lassen. Vorausgesetzt natürlich, man hat Zutritt zu besagtem Anwesen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, überredet Miss Marple ihre Bekannte Lucy Eyelesbarrow, eine Hauswirtschafterin, sich auf dem Anwesen Rutherford Hall der Familie Crackenthorpe anstellen zu lassen, um „Undercover“, wie man heute sagen würde, Nachforschungen anstellen zu können. Miss Marple quartiert sich ganz in der Nähe in einem Dorfgasthof ein, um immer auf dem Laufenden zu bleiben.

 

Golf, Indizien und eine Frauenleiche

Lucy Eyelbarrow nutzt ihre wenige freie Zeit, um im Garten an ihrem Abschlag zu arbeiten. Dabei schießt sie die Golfbälle extra in Richtung der Gartenmauer, etwa dorthin, wo die Leiche vielleicht über die Mauer gehievt worden sein könnte. Und wirklich tauchen schon bald erste Indizien auf: einen Fetzen Fell von einem Fellmantel, eine Puderdose, schließlich in einem Stall gar tatsächlich die Leiche einer jungen Frau, die jemand passenderweise in einem Sarkophag versteckt hat. Natürlich wird sofort die Polizei verständigt und nach und nach trudeln alle engeren Familienmitglieder der Crackenthorpes, die sich untereinander nicht ausstehen können und alle auf das Erbe warten, wenn der alte Patriarch endlich den Löffel abgibt, in dem Anwesen ein.

 

Die geheimnisvolle Martine und zwei weitere Morde

Durch einen Brief, den eine gewisse Martine den Crackenthorpes geschrieben hat, indem sie diesen von der Heirat mit dem im Krieg gefallenen Edmund Crackenthorpe erzählt und ihren Wunsch darlegt, mit ihrem von Edmund stammenden Sohn das Anwesen und die Familie zu besuchen, nimmt die Polizei zuerst an, dass es sich bei der französische Kleidung tragenden Frauenleiche um ebendiese Martine handelt. Natürlich geraten so alle Familienmitglieder außer dem Patriarchen in Verdacht, hätte Martines Sohn doch einen Anspruch auf einen Teil des Familienvermögens und – da Edmund der älteste Sohn war – auf das Anwesen Rutherford Hall. Als dann wenig später auch noch die Brüder Alfred und Harold Crackenthorpe mit Arsen vergiftet werden, wird es höchste zeit für das Eingreifen von Miss Marple, bevor noch mehr Morde geschehen.

 

Die Überführung

Miss Marple und Mrs. McGillicuddy lassen sich auf Ruhterford Hall einladen. Bei einem Abendessen in großem Kreis gelingt es Miss Marple, die schon einen Verdacht hegt, wer der Mörder sein könnte, mit Hilfe der rührigen Mrs. McGillicuddy mit einem einfallsreichen Trick den Täter zu überführen. Mrs. McGillicuddy hatte im Zug ja nur die Hände des Täters gesehen. Miss Marple täuscht deshalb zu Tisch vor, sich an einer Fischgräte verschluckt zu haben. Als der Täter ihr dann zu Hilfe eilt und die Hände um ihren Hals legt, schreit Mrs. McGillicuddy auf – sie hat die Hände erkannt, welche die junge Frau im Zug erwürgten. Mehr, nicht wahr, verraten wir hier aber nicht.

 

Murder She Said

Gerade der 1961, nur vier Jahre nach der Publikation des Romans erschienene Film Murder She Said (zu deutsch: 16 Uhr 50 ab Paddington) mit Margaret Rutherford, die vielen als die beste Miss Marple Darstellerin gilt, war und ist bis heute ein großer Publikumserfolg. Der Schwarz-Weiß Film weicht dabei zugunsten der Hauptperson Miss Marple, die im Film auch die Rollen von Mrs. McGillicuddy und Lucy Eyelebarrow übernimmt, deutlich von der Romanvorlage ab, bleibt aber inhaltlich ansonsten recht dicht an dieser. Insgesamt trugen die frühen Miss Marple Filme stark zum Erfolg der von Agatha Christie erfundenen so unwahrscheinlichen wie schrullig-liebenswerten Ermittlerin Miss Marple und dem Roman 16 Uhr 50 ab Paddington bei, ähnlich wie dies später mit der BBC Serie Agatha Christie´s Poirot auch für die Romane und Kurzgeschichten rund um die Ermittlungen des belgischen Meisterdetektivs gilt.

 

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