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Doris Lessing

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Doris Lessing

Doris May Lessing, geborene Tayler (geb. am 22.10.1919 in Kermanshan, Iran, verstorben 2013 bei London) war eine britische Schriftstellerin, die über fünfzig Romane, verschiedenste Kurzgeschichten und Essays veröffentlichte. Nicht erst seit der Verleihung des Literaturnobelpreises an Lessing im Jahr 2007 zählt sie neben Virginia Woolf zu den wichtigsten und einflussreichsten britischen Schriftstellerinnen. Sie selbst war zu Zeit der Verleihung schon 88 und damit die älteste Literaturnobelpreisträgerin zur Zeit der Verleihung bislang. Von einem Schlaganfall gezeichnet konnte Lessing nicht selber nach Schweden reisen, kommentierte die Verleihung des wichtigsten Literaturpreises der Welt aber in der für sie typisch trockenen Art: „I've won all the prizes in Europe, every bloody one, so I'm delighted to win them all.“ (Ich habe alle Preise in Europa gewonnen, jeden verdammten Preis, also bin ich natürlich überglücklich sie alle zu gewinnen). Wie kaum anders zu erwarten, gerade wenn ein Literaturnobelpreis, wie bislang elf Mal geschehen, einmal an eine Frau vergeben wird, gab es neben einigem Lob für die Entscheidung der Jury auch teils heftige Kritik an der Entscheidung. Wikipedia

Steckbrief

  • Daten: geboren am 22.10.1919 in Kermanshan, Iran, verstorben 2013 in London
  • Geburtsort: Kermanshan, Iran
  • Sprache(n): Englisch
  • Hauptwerke oder Reihen: Das goldene Notizbuch, Canopus in Argos (fünf Romane), Afrikanische Tragödie
  • Rezensierte Bücher: Das goldene Notizbuch
  • Genres: Bewusstseins- und Gesellschaftsromane, Science Fiction, häufig aus Perspektive von Frauen erzählt
  • Webseite: http://www.dorislessingsociety.wordpress.com
  • Adaptierte Filme/Serien: -
  • Lesestoff: je nach Phase für Menschen, die sich für einen Blick auf die Spätzeit des Kolonialismus, das Leben der Frauen in der Mitte des 20. Jahrhunderts oder allgemeine Fragen des Lebens mit einem Schuss sufistischer Philosophie interessieren. Auf jeden Fall eine Entdeckung wert und trotz des Ruhmes durch den Nobelpreis in Deutschland eher wenig gelesen.

Kindheit und frühes Leben

Bis sie 1943 ihren ersten Mann und zwei Kinder in der damaligen britischen Kolonie Süd-Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe zurückließ, spielte sich das Leben von Doris Lessing nach einer anfänglichen Episode im Iran (bis 1925) in Afrika ab. Die Eltern, der kriegsversehrte Captain Alfred Tayler und die ehemalige Krankenschwester Emily Maude Tayler, geborene McVeagh, versuchten sich in Süd-Rhodesien mit wenig Erfolg als Farmer. Die Erfahrungen, die Lessing in der sehr partikularen Welt der Kolonien sammelte, in der die herrschenden Weißen als eine Art Herrenmenschen auftraten beeinflussten das Werk und das Denken der Schriftstellerin stark und gerade in ihren frühen Werken ist die Kritik am Kolonialismus neben sozialen und sozialistischen Thematiken ein zentraler Aspekt ihres Schaffens. Aufgrund ihrer kritischen Schriften erhielt sie so auch ein Einreiseverbot nach Südafrika, das rund zwanzig Jahre lang aufrecht erhalten wurde. Ihre schulische Ausbildung war kurz und endete nach dem Besuch einer katholischen Konventsschule und einem Jahr an der Girls High School in der süd-rhodesischen Hauptstadt Salisbury (heute Harare), als Lessing 13 Jahre alt war. Zuerst arbeitete sie als Krankenschwester, später als Telefon-Schalttafel Bedienerin. Nebenher begann sie sich ausführlich mit Soziologie und politischen Schriften zu beschäftigen und begann ihre ersten literarischen Arbeiten, die sie teils in Zeitungen veröffentlichte.

Kommunismus, England, erster literarischer Erfolg

Nachdem Lessing ihren ersten Mann verlassen hatte, wurde sie Mitglied im Left Book Club, einer Art kommunistischem Zirkel. Dort traf sie auch Gottfried Lessing, der ihr zweiter Ehemann wurde und mit dem sie ein weiteres Kind hatte. Schon 1949 ließ sie sich allerdings wieder scheiden und zog mit ihrem noch kleinen dritten Kind nach England, um ihre schriftstellerische Karriere voran zu bringen. In London erschien im darauffolgenden Jahr, 1950, auch Lessings erster Roman: The Grass is Singing (auf deutsch: Afrikanische Tragödie). Dieser und ihr nächster Roman beschäftigen sich mit dem Leben in Afrika in Form eines „schwarz-weißen Schicksalsdramas“ und stellte sich klar gegen die vorherrschenden rassistischen Vorurteile und die in Südafrika eingeführte Apartheid. Diese kritische literarische Bestandsaufnahme zusammen mit ihrer Rolle als politische Aktivistin, die sich öffentlich vehement gegen die Apartheid aussprach, führte später zu dem oben schon angesprochenen Einreiseverbot nach Südafrika. Zusätzlich war Lessing Kommunistin und bis 1956 auch Mitglied der kommunistischen Partei in Großbritannien, die sie allerdings 1956 aufgrund des Einmarsches der Russen in Ungarn nach dem Volksaufstand verließ. Außerdem engagierte sie sich in der Anti-Atomwaffen Bewegung. Alles zusammengenommen führte dazu, dass die britischen Geheimdienste MI5 und MI6 Doris Lessing von den vierziger bis in die sechziger Jahre hinein überwachten und ein ziemlich umfassendes Dossier über sie anlegten, welches 2015 öffentlich gemacht wurde und heute eingesehen werden kann.

Das goldene Notizbuch, weitere interessante Werke und der Nobelpreis

Der Durchbruch als Schriftstellerin mit weltweitem Erfolg gelang Doris Lessing mit dem 1962 publizierten Roman „Das goldene Notizbuch“. Das Buch behandelt einen mentalen und sozialen Zusammenbruch, beschäftigt sich mit der Idee des Kommunismus, gibt tiefe Einblicke in die kommunistische Partei in England in der Zeit von den 30er bis in die 50er Jahre sowie pazifistische Ansätze und gegen Stalin und das von ihm errichtete Schreckensregime gerichtete Passagen. „Das goldene Notizbuch“ war Lessings dritter Roman und wurde 2005 vom Times Magazin auf die Liste der 100 wichtigsten englischen Romane gesetzt. Bis an ihr Lebensende sollte sie insgesamt fast 50 Novellen und Romane veröffentlichen, eine insgesamt erstaunliche Produktivität. Besondere Erwähnung verdient neben der vom Sufismus beeinflussten Science-Fiction Reihe Canopus in Argos (fünf Romane) vor allem ihr Versuch die inneren Gewerke des Literaturbetriebes offenzulegen, indem sie unter dem Pseudonym Jane Somers veröffentlichte. Dies führte nicht nur dazu, dass sie lange nach einem Verlag suchen musste, sondern auch die Verkaufszahlen lagen deutlich niedriger. Nach dem Erhalt des Literaturnobelpreis veröffentlichte Lessing noch den Roman „Alfred and Emily“, bevor sie sich aus der literarischen Welt zurückzog und 2013 im Alter von 94 Jahren in ihrem Londoner Haus verstarb.

Lessings Werk und Einordnung

Die Literaturwissenschaft, die sich inzwischen natürlich recht eingehend mit Lessings Werk beschäftigt hat, teilt ihren Werkkorpus zumeist in drei Teile oder Phasen ein:

  • sozialistische Themen und soziale Fragen (1944 bis 1956)
  • psychologische Ansätze und Bücher (1956 bis 1969)
  • vom Sufismus geprägte bzw. beeinflusste Romane (insbesondere die Canopus-Reihe, bis Mitte der 80er)

Ihre letzten Arbeiten vermischen die drei Themengebiete, denen sie ihr literarisches Schaffen gewidmet hat und nehmen gerade gegen Ende hin auch teils experimentellere Formen an, verbinden Notizen und Dokumente mit fiktionalen Passagen.
Die Einordnung des Werks von Doris Lessing stellt sich demgegenüber schon schwieriger dar. Unbestritten ist sie eine der großen und einflussreichen britischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, andererseits gilt sie aber auch als die immer „politisch Korrekte“, die schon die „richtige“ Haltung zu Themen wie Feminismus, Kolonialismus und Pazifismus eingenommen hat, als das für viele noch gar kein Thema war. Das heißt aber auch, dass es da für viele immer mal ein wenig zu moralisch, zu korrekt zugeht. Auch über die generelle literarische Qualität ihrer Arbeit unter ästhetischen Aspekten gibt es durchaus Querelen und verschiedene Einschätzungen. Eine wirklich große Stilistin ist sie am Ende eher nicht, die Kritik von alten weißen Männern (Kritiker!) wie Marcel Reich-Ranicki an der Verleihung des Nobelpreises an eine von ihnen als nicht herausragend wahrgenommenen Schriftstellerin ging aber am Ende an der Sache vorbei, da sie vor allem darauf abzielte, anderen „verdienten“ (natürlich meist männlichen) Schriftsteller*innen den Preis endlich zu zuerkennen.