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Honoré de Balzac

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Das Werk dieses unermüdlichen Schreibers ist gleich auf mehrfache Weise exzeptionell. Nicht nur hat er mit seiner groß angelegten „menschlichen Komödie“, die insgesamt 132 Romane umfassen sollte, von denen Balzac zu Lebzeiten neben einigen Erzählungen „nur“ 88 fertig stellte, das wohl größte erzählerische Universum geschaffen und seine Epoche in Schrift gegossen, sondern er gilt auch als Miterfinder des „Roman á la Balzac“ mit viel spannender Handlung und einer konfliktgeladenen Figurenkonstellation. Trotzdem ist der als großer Realist geltende Balzac nicht unbedingt für jedermann. Hier geht Inhalt über Form und Stil, denn der kaffeesüchtige Vielschreiber hat sich wenig Zeit zur stilistischen Überarbeitung seiner Romane gelassen. Wikipedia

Steckbrief Honoré de Balzac

Balzacs Weg zum Schriftsteller

Honoré de Balzac hieß eigentlich Honoré Balzac. Das adelige „de“ benutzte allerdings schon sein Vater, der es vom Bauernsohn während und nach der Revolution bis hin zu einer guten Position im Marineministerium gebracht hatte. Seine Mutter hingegen entstammte einer reichen Pariser Familie, zu der er allerdings eine recht angespannte Beziehung hatte, wohl auch, weil er als Kind aufs Internat geschickt wurde und seine Jugend ganz allgemein als eher trostlos empfand. Nach einem 1819 kurz vor dem Ende abgebrochenen Jura Studium beginnt Balzac seine literarische Karriere. Dabei greift ihm sein Vater helfend unter die Arme, indem er ihm zwei Jahre sein Leben finanziert. Der Erfolg lässt allerdings auf sich warten und seine ersten Arbeiten bringen kaum etwas ein. Neben Romanen schreibt Balzac auch fürs Theater, verfasst ein Opernlibretto und versucht sich an einer epischen Dichtung, die er allerdings nie fertig stellt. Nebenher publizierte er feuilletonistisches und Kritiken in der Zeitschrift „Feuilletton littéraire“. 1825 schließlich hat er eine erste Affäre mit einer verheirateten und um einiges älteren adeligen Dame. Diese „Affären“ mit gestandenen Damen der Gesellschaft begleiten ihn fast sein gesamtes Leben und sind in verschiedensten Formen auch Inhalt seiner Romane. Zudem versucht er sich als Verleger und kauft sogar eine Druckerei, allerdings gehen beide Projekte in einer aufziehenden Rezession Pleite. So bleibt er sein ganzes Leben vor allem Schuldner seiner eigenen Mutter, die einen Gutteil des Geldes für den Kauf der Druckerei vorgestreckt hatte.

Erste Erfolge und Konzeption der „Menschlichen Komödie“

Erfolg stellt sich schließlich 1829 mit dem historischen Roman „Die Chouans“ (Original: Les Chouans, ou la Bretagne en 1799), in welchem er die Geschichte des Aufstands der königstreuen Chouans gegen die Französische Revolution schildert. Dabei bedient er sich stilistisch und in der Form der Erzählung an der „neuen Machart“ Walter Scotts, die szenisches Erzählen mit für die damalige Zeit ungewöhnlich vielen und lebendigen Dialogen verbindet. Diesem Grundgerüst der Erzählhaltung und Erzählstruktur bleibt Balzac auch bei seinen weiteren Werken treu. „Die Chouans“ werden heute als in der zeitlichen Reihung erster Band der „menschlichen Komödie“ geführt, sind aber an sich sowohl vom Thema wie auch vom Personal und Inhalt her eigenständig und können gerade für Liebhaberinnen und Liebhaber des historischen Romans eine echte Entdeckung sein. Nach diesem ersten Erfolg schreibt Balzac in kurzer Abfolge neue Romane, die zumeist erst in Zeitschriften abgedruckt wurden und von ihm später in Sammelbänden herausgegeben wurden (Scénes de la vie Privée; Romans et Contes Philosophiques; Scénes de la vie de Province u. a.). Während der Arbeit an dem Roman „Vater Goriot“ im Jahr 1834, der heute als eines der gelungensten Werke des Autors gilt, entwickelt Balzac die Idee, die Hauptfiguren seiner Romane immer wieder neu auftreten zu lassen. So entsteht nach und nach ein eigenes erzählerisches Universum rund um gut 2000 Personen, durch die Balzac die Zeit des nach revolutionären Frankreichs festhielt. Den Namen für sein großangelegtes Gesellschaftspanorama entwickelt er 1841 in Anlehnung an Dante anlässlich einer geplanten Gesamtausgabe seiner Schriften.

50 Tassen Kaffee am Tag – Balzac das Arbeitstier

Im Folgenden schreibt Balzac, der sowieso immer ein sehr produktiver Literat war, wie ein Besessener und trinkt bis zu 50 Tassen Kaffee am Tag, um das Pensum von 15 bis 17 Stunden Arbeitszeit herunterzureißen. Es kann bei dieser beinahe frenetischen Schreibwut kaum verwundern, dass Balzacs Werke stilistisch häufig wenig verfeinert und durchgearbeitet sind. Dies ist auch verschiedensten deutschen Übersetzungen anzumerken, insbesondere, wenn sie sich sprachlich nah am Original halten. Statt Form und Stil vor Inhalt, wie es für die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts durchaus nicht unüblich war, geht bei Balzac Inhalt klar vor Stil und Form. Die teils drastische und ungeschminkte Beschreibung gesellschaftlicher Realitäten machen Balzac zudem zu einem Ausgangspunkt des sich später entwickelnden Naturalismus.

Der Roman á la Balzac

Der Roman „á la Balzac“ mit zumeist intensiver Handlung, interessanten Hauptfiguren und klar auktorialer Erzählhaltung bleibt bis heute wohl die häufigste Romanform überhaupt. Auch die Verbindung mehrere Romane zu einem erzählerischen Universum ist eine Technik, die nach Balzac von anderen Schriftstellerinnen und Schriftstellern übernommen wurde (z. B. von Emile Zola im Rougon-Macquart Zyklus) und heute z. B. in der Produktion von erzählerisch anspruchsvollen Fernsehserien sozusagen ein zeitgenössisches Pendant findet, wenn wohl auch kaum jemals ein derart umfangreiches Projekt erneut in Angriff genommen wurde. Von den insgesamt 139 Romanen, die Balzac für die „Menschliche Komödie“ geplant hatte, wurden bis zu seinem Tod 1850 neben kürzeren Prosastücken immerhin 88 fertig und bilden zusammen ein einmaliges Panorama seiner Zeit und eine Fundgrube an Ideen, Reflexionen und tiefen Einsichten in menschliche und allzu-menschliche Eigenheiten, die teils bis heute Geltung haben. So erklärt der windige Journalist Lousteau dem jungen, aufstrebenden Literaten Lucien Chardon zum Beispiel, dass es keine schlechte Presse gibt. Ein Verriss, eine gute Kritik, ja, wer wirklich schlau ist, so Lousteau, der bestellt sich beides und fordert den Beginn einer Polemik heraus. Das Schlimmste: totgeschwiegen zu werden. Das passiert dem in Lebensdingen ungeschickten Lucien dann später. Er hätte es besser wissen können.