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Thomas Bernhard

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Das Werk des großen Österreich-Hassers Thomas Bernhard ist eine Ausnahmeerscheinung in der Literaturindustrie. Insbesondere im deutschsprachigen Raum inspirierte Bernhard ganze Horden von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, ihm in seinem so ungewöhnlichen, zirkulären und handlungsarmen Stil nachzueifern. Oft imitiert aber nie erreicht sind die monolithischen Prosastücke Bernhards neben seinen dramatischen Werken heute fester Bestandteil der Nachkriegsliteratur. Wikipedia

Steckbrief Thomas Bernhard

  • Daten: 09. Februar 1931 bis 12. Februar 1989
  • Geburtsort: Heerlen (Niederlande)
  • Sprache(n): Deutsch (mit österreichischen Idiomen)
  • Hauptwerke o. Reihen: Beton, Der Untergeher, Theaterstücke
  • Rezensierte Bücher: Watten, Beton
  • Genres: Psychogramme in Form von oft atemlosen Monologen
  • Webseite: Autorenwebseite Suhrkamp Verlag
  • Adaptierte Filme/Serien: -
  • Lesestoff: für Freund*innen des schwarzen Humors, Österreich-Fans und alle, die tiefsinnige Charakterzeichnungen rasanter Handlung vorziehen

Thomas Bernhards Jugend, das Theater und der Weg zum Erfolg

Thomas Bernhard wurde als nichteheliches Kind geboren. Seinen Vater, den aus Herrndorf am Wallersee stammenden Alois Zuckerstätter, lernte er nie kennen. Während der Nazizeit musste Bernhard erst in ein nationalsozialistisches Erziehungsheim im thüringischen Saalfeld, ab 1943, zurück in Österreich, war er im Salzburger NS-Internat Johanneum in Salzburg untergebracht. Erst nach Kriegsende konnte er zurück auf eine katholische Schule. Diese Zeit hat Bernhard geprägt, was mit der ganzen ideologischen Beeinflussung und Umerziehung, der er wohl ausgesetzt war, auch kaum verwunderlich ist. Die Erlebnisse seiner Jugendzeit verarbeitete er in fünf autobiografischen Werken. Dabei nannte er die Institution Schule, die er im übrigen noch vor dem Abitur 1946 abbrach, um eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann in einem kleinen Kolonialwarenladen zu absolvieren, eine „Geistesvernichtungsanstalt“. Bald darauf, nach einer schweren Erkrankung, veröffentlichte Bernhard 1950 unter dem Pseudonym Thomas Fabian die Kurzgeschichte „Das Rote Licht“. Damit begann seine lebenslange schriftstellerische Tätigkeit.
Während der 50er Jahre arbeitete Bernhard auch als Journalist bei der sozialistischen Tageszeitung „Demokratisches Volksblatt“ und veröffentlichte einen Gedichtband, bevor er seinen ganz eigenen Stil in Prosa und Drama fand. Schon 1970 erhielt er für sein Werk den Georg Büchner Preis, eine der höchsten Auszeichnungen für deutschsprachige Literatur. Dieser und andere Preise, zu denen er im übrigen ein ambivalentes Verhältnis hatte, erlaubten ihm auch den Ankauf eines Vierkanthofes, in dem er fortan lebte und arbeitete.

Bernhards Stil: oft kopiert, nie erreicht

Thomas Bernhard ist bei allem Erfolg und Beliebtheit so etwas wie ein Schriftsteller-Schriftsteller. Der mäandernde Stil seiner monologisierenden Hauptcharaktere und das Hineinsteigern in Nebensächlichkeiten und Befindlichkeiten, beides gewürzt mit mehr als nur einer Prise Humor, Sarkasmus und Zynismus, haben wohl ganze Generationen von angehenden Literaurschaffenden beeinflusst. Die Sätze verlaufen sich bei Bernhard fast, drehen sich im Kreis, kreisen um ein Thema, meist aus zweiter Hand wiedergegeben, springen weiter, kehren zurück. Dabei arbeitet Bernhard mit Wiederholungen, Steigerungen, Übertreibungen und teils höchst komplexen Satzstrukturen, in denen eine erzählende Person Begebenheiten aus ihrer Sicht wiedergibt. Hier sehen manche Literaturwissenschaftler*innen wohl nicht zu Unrecht Anschlusspunkte zur Barock- und zur modernen seriellen Musik. Die erzählenden Personen bei Bernhard ähneln sich dabei häufig, meist sind es „Geistesmenschen“, um im Duktus Bernhards zu bleiben, also Intellektuelle, Denker und Denkerinnen, häufig einsam und isoliert und von einer Wut auf die Verhältnisse und die Welt getrieben.

Thomas Bernhard und Österreich: die Hassliebe eines Nestbeschmutzers

Ein anderer Aspekt ist der regelrechte Hass auf Österreich im Allgemeinen und Salzburg, so etwas wie seiner Heimat, im Besonderen. Auch Bekannte und Prominente aus der österreichischen Kunst- und Geisteslandschaft verarbeitete Bernhard mitunter in seinen Arbeiten. Besonders augenfällig ist dies im späten Werk „Holzfällen“, in dem sich der Komponist Gerhard Lampersberg, ein alter Bekannter Bernhards, in derart schlechtem Licht porträtiert sah, dass er bei dessen Erscheinen 1984 gerichtlich die Beschlagnahmung des Buches erwirken ließ. Dieser Skandal ist dabei nur einer in einer langen Reihe und Bernhard sah sich als „Nestbeschmutzer“, wie man ihn gern nannte, fast lebenslang der Verfolgung durch verschiedene populäre und konservative österreichische Medien wie die Kronen-Zeitung ausgesetzt.

Ohne Skandale geht es nicht: Bernhard und der Erfolg

Die Skandale rund um das Bernhard'sche Schaffen sind vielfältig, teils selbst induziert und doch hat man kaum je das Gefühl, Bernhard würde damit lediglich nach Publicity streben, auch wenn diese natürlich einem saftigen Skandal auf dem Fuß folgt. Der Grund für viele der Aufregungen liegt dabei in Bernhards fortgesetztem Angriff auf den Österreicher*innen heilige Institutionen wie das Wiener Burgtheater, die Geschichtsvergessenheit (insbesondere auf die NS-Zeit bezogen) und den Staat selbst, den Bernhard gern als „katholisch-nationalsozialistisch“ beschrieb. In der Rückschau eines Nicht-Österreichers erscheinen viele der Skandale dann auch eher als Skandälchen bzw. alpenländischer Narzissmus von beiden Seiten. Neben der oben schon angesprochenen Kontroverse um „Holzfällen“ ist vor allem die Dankesrede zur Verleihung des „Staatspreises“ 1968 hervorzuheben, in der Bernhard den österreichischen Staat aufs schönste niedermacht, woraufhin sich der damalige Unterrichtsminister in seiner Laudatio zu einer Retourkutsche hinreißen ließ, was wiederum Bernhard und den Suhrkamp Verleger Unseld dazu veranlasste, mehrere Artikel über den Vorfall zu publizieren. Der Festakt zur Verleihung des Anton-Wildgans Preises, der kurz darauf auch an Bernhard verliehen werden sollte, wurde kurzerhand abgesagt.
Die Theaterskandale rund um die Stücke Bernhards sind zu vielfältig, um sie hier näher zu beleuchten. Nicht selten legte der Autor den sich echauffierenden populären Medien aber auch Steilvorlagen, zum Beispiel, als er darauf bestand, alle Lichter im Theater müssten für eine Szene gelöscht werden (inklusive Notbeleuchtung und Notausgänge), was natürlich sicherheitstechnisch nicht erlaubt war, Bernhard aber wiederum nicht wahrhaben wollte. Eine gewisse, durchaus spannungsvolle, Männerfreundschaft pflegte Bernhard dabei zum Regisseur Peymann, der gleich eine ganze Reihe Uraufführungen von Stücken des Autors inszenierte und diese von der „Burg“ auch nach Deutschland, insbesondere Berlin, brachte, wohin er von Wien aus später ja auch wechseln sollte.

Kaffeehaus, Vierkanthof und früher Tod

So sehr sich Bernhard auch gegen den österreichischen Staat, Österreicher*innen als solche, das Burgtheater, Wien und Salzburg im Besonderen echauffierte, so sehr genoss und liebte er doch gewisse, typisch österreichische Annehmlichkeiten wie die Wiener Kaffeehäuser, insbesondere das „Café Bräunerhof“. Neben Reisen und seinen Aufenthalten in Wien, Salzburg und später Gmunden lebte Bernhard auf einem alten, so genannten Vierkanthof im Obernathal. Nach einem Lungenleiden starb Bernhard 1989 in Gmunden an seiner Krankheit. Die Beisetzung wurde auf seinen Wunsch nur im Kreise der engsten Familie durchgeführt, aber die in Österreich so provokante Gestalt des Schriftstellers führte im Folgenden dazu, dass dessen Grab mehrfach verwüstet, ja sogar die Grabtafel gestohlen wurde. In gewisser Weise schaffte es der „Nestbeschmutzer“ Bernhard also sogar über den Tod hinaus, die Österreicher*innen zu provozieren.