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Werner Bräuning

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Sohn einfacher Leute, Schmuggler, Bergmann, Knasti und schließlich Schriftsteller mit einer Stelle am Literaturinstitut Johannes R. Becher (DDR) – das Leben von Werner Bräunig ist Nachkriegszeit pur. Obwohl später Mitglied in der SED und überzeugter Sozialist wird er für einen Auszug aus seinem großen Roman „Rummelplatz“ mit Berufsverbot belegt und trinkt sich schließlich zu Tode. Selbst Arbeiterschriftsteller*innen mussten im Arbeiter- und Bauernstaat eben voll auf Linie bleiben. Wikipedia

Steckbrief Werner Bräunig

  • Daten: 12. Mai 1934 bis 14. August 1976
  • Geburtsort: Chemnitz
  • Sprache(n): Deutsch
  • Hauptwerke o. Reihen: Rummelplatz
  • Rezensierte Bücher: Rummelplatz
  • Genres: Gesellschaftsroman
  • Webseite: Autorenwebseite Aufbau Verlag
  • Adaptierte Filme/Serien: -
  • Lesestoff: für alle, die saftige Literatur mit lebendigen Bildern lieben

Paradoxien der Zensur oder das Leben des Arbeiterschriftstellers Werner Bräunig

Kinder aus Arbeiterfamilien werden – leider – selten genug Schriftsteller*innen. Das hat auch mit dem System zu tun, aber darum soll es hier nicht gehen. Hier geht es um Werner Bräunig, Sohn armer Leute, Arbeiter, Schriftsteller und, obwohl eigentlich genau der Prototyp, den man sich in der DDR, dem ostdeutschen Arbeiter- und Bauernstaat, als Schriftsteller hätte wünschen müssen, wegen seines ersten, nie vollendeten Romans Ausgestoßener des DDR Literaturbetriebs.
1934 als Sohn einer Näherin und eines Kraftfahrers geboren zu werden bedeutete Hauptschule, Hitlerjugend und wenig bis keine Möglichkeiten, höhere Bildung zu erlangen. Nach 1945 schließt er die Schule ab, beginnt eine Schlosserlehre und wird schon bald wegen Schwarzmarktgeschäften in ein Erziehungsheim gesteckt. Nach einem kurzen Aufenthalt als Gelegenheitsarbeiter in Westdeutschland kehrt er in den Osten zurück und arbeitet als Schweißer und Bergmann in Chemnitz, bevor er eine kurze Zeit in den Uranminen in Wismut arbeitet, die den Hintergrund für Rummelplatz bilden sollten. Dann geht er wegen Schmuggels in den Knast. Knapp zwanzigjährig beginnt er zu schreiben und wird neben der Arbeit als Papiermacher ein so genannter Volkskorrespondent. Nach einem Zwischenspiel als freier Journalist und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft junger Autoren Wismut erhält Bräunig die Möglichkeit zum Studium am Literaturinstitut Johannes R. Becher, wo er anschließend als Assistent und Oberassistent bis 1967 arbeiten sollte.

Der „gemachte“ Skandal um den Vorabdruck von Rummelplatz

Einige seiner Arbeiten werden mit Preisen ausgezeichnet, dann kommt es zum Vorabdruck eines Teils von Rummelplatz, was zu politisch gesteuerten Beschwerden seitens der „Arbeiterschaft“ der Wismut AG führt, auch weil die herrschende Clique um Ulbricht sich gerade zum Zeitpunkt des Erscheinens des Vorabdrucks daran macht, mit den unliebsamen Literaturschaffenden aufzuräumen. Bräunig als Parteimitglied ist dabei weniger selbst ein Ziel, die kritischen Stimmen von Biermann, Heym und anderen stehen im Fokus, aber es wird eben auch an Bräunig ein Exempel statuiert, wohl auch weil dessen Buch in der politisch und historisch sensiblen Wismut AG spielt, in der der Autor nicht zu Unrecht einen Mikrokosmos der DDR Gesellschaft zu ihren Anfängen ausgemacht hatte. Auch wenn andere Autorinnen und Autoren ihn in Schutz zu nehmen versuchen, kommt es zum Verbot von Rummelplatz und Bräunig bleibt als wohl gebrochener Mensch zurück, der die Zensur seines Buches, das Probleme zwar nicht verschweigt, aber im Grunde genommen ein ehrliches und der Idee des Sozialismus positiv zugeneigtes Bild der Zeit zeichnet, schlecht verkraftet. Außer einem Band mit Erzählungen erscheint nichts mehr von dem Autor, der nur 42-Jährig in Halle an seiner Alkoholsucht zugrunde geht. Teile von Rummelplatz und andere Schriften aus dem Nachlass des Autors erscheinen 1981, fünf Jahre nach dessen Tod, im Mitteldeutschen Verlag.

Editionsgeschichte: Wie Werner Bräunigs Roman Rummelplatz doch noch publiziert wurde

Erst nach viel Mühe gelang es den Kindern des Schriftstellers, den Roman Rummelplatz doch noch posthum veröffentlichen zu lassen. Diese Erstausgabe der überlieferten Manuskriptversionen, die aufwendig editiert werden mussten, erregte im Jahr seines Erscheinens, 2007, fast vierzig Jahre nach dem Eklat um das Buch und gut dreißig Jahre nach dem Tod des Autors zu Recht großes Aufsehen. Rummelplatz ist ein praller, lebensvoller Roman und bietet wie wohl kaum ein anderes Buch einen Einblick in die Aufbauzeit der DDR, samt all den Hoffnungen, Problemen und Anstrengungen gerade der einfachen Leute. Es ist ein Arbeiterroman, der die Schattenseiten nicht verschweigt, während man zwischen den Zeilen aber jederzeit die große Sympathie des Autors für das Projekt DDR erkennen kann. Dies macht nicht nur das Verbot des Romans im Rückblick so unverständlich, es zeigt auch die Enge und Kunstfeindlichkeit der kleinbürgerlichen Elite, die aus der DDR nach und nach eine Art Gefängnis machten. Für Bräunig war die Zensur, ja das Verbot seines Romans wohl gleich doppelt schmerzhaft. Nicht nur verhinderte man seine Arbeit, dies geschah auch noch durch den Staat, mit dem er zwar aneinandergeraten war, wie so viele in den Anfangsjahren der DDR, man denke an das Erziehungsheim und seinen Gefängnisaufenthalt, der ihm, dem Volksschüler und Kind armer Leute, dann aber doch das Studium ermöglichte. Die Bitterkeit solch einer Erfahrung ist schwer nachzuvollziehen, genauso wie das Verbot dieses grandiosen Buches, das Bräunig wohl literarischen Ruhm eingebracht hätte.

Rummelplatz: ein gerade erst entdecktes und fast schon wieder vergessenes Meisterwerk

Nach dem kurzen Hype nach dessen Erscheinen in 2007 ist es leider wieder still um Bräunig und Rummelplatz geworden, wohl auch, weil das schmale Werk des Autors für die Verlage nicht viel hergibt und in unserer gehetzten Zeit eben alles schnell wieder vergessen wird. Vielleicht, so kann man hoffen, wagt sich einmal jemand an die Dramatisierung des Romans für den Film, um dieses Sittenbild der einfachen Leute, der Trinkenden, Kriegsheimkehrenden, Arbeiter*innen und Parteikader, dem Schmuggel, der täglichen Korruption und dem Arbeiten am Sozialismus einem breiten Publikum nahezubringen. Bräunigs eigene Erfahrungen aus den Minen erlauben dabei eine besonders eindrückliche und lebensechte Schilderung, die nicht vor Kritik zurückschreckt, dabei aber zwischen den Zeilen und im Ganzen dem „Projekt“ DDR und dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft gegenüber klar positiv eingestellt ist.