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Georges Simenon

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Der belgische (nicht französische!) Schriftsteller Georges Simenon ist nicht nur als Erfinder der Figur des Kommissars Maigret bekannt, sondern hat auch viele weitere, teils die Genregrenzen sprengende Werke geschrieben, die bis heute Bedeutung haben. Zur eigenen Zeit häufig als reißerischer Verfasser von Trivialliteratur (zu der natürlich auch Krimis gehörten) gebrandmarkt, die er insbesondere in jungen Jahren auch wirklich geschrieben hat, gilt er heute als der vielleicht meistgelesene, übersetzte und produktivste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Wikipedia

Steckbrief Georges Simenon

Synonyme und Erfolge: Simenons erstaunliche Popularität

Später veröffentlichte Simenon nur noch unter seinem richtigen Namen, in frühen deutschen Übersetzungen und Ausgaben ist dieser allerdings häufig zu Georg oder George Simenon verstümmelt. Simenon ist nicht nur einer der meistgelesenen Autoren des 20. Jahrhunderts mit geschätzt 500 Millionen verkauften Büchern weltweit, er dürfte auch einer der produktivsten Schreibenden überhaupt gewesen sein. Das Werk umfasst insgesamt (inklusive der Groschenromane) wohl um die 394 Romane, davon 193 unter seinem richtigen Namen Simenon, und weit über 1000 Erzählungen und Short Stories.

Frühreifer Literat ohne Hemmungen: wie Simenon zum Schreiben kam

Die ersten Schreibversuche macht Simenon im ziemlich zarten Alter von zwölf oder dreizehn Jahren unter dem Pseudonym Georges Sim, dass er bis in die 30er Jahre hinein immer wieder benutzte. Auslöser war die erste – gescheiterte – Beziehung zu einem drei Jahre älteren Mädchen, mit dem Simenon auch seine ersten sexuellen Erfahrungen machte. Unglücklich an einer neuen Schule, ließen nicht nur seine Noten deutlich nach, er trieb sich auch des Nachts herum, entdeckte Alkohol und Prostituierte für sich, beging kleine Diebstähle und so weiter. Aufgrund der schweren Herzprobleme des von Simenon innig geliebten Vaters beendete er mit 15 die Schule und musste zusehen, wie er die Familie mit ernähren konnte. Bei einer anschließenden Lehre in einer Konditorei, irgendwie ja typisch belgisch, hielt er es nur wenige Wochen aus. Mit 16 wird er mehr durch Dreistigkeit und Zufall Journalist und schreibt für die rechts-katholische „Gazette de Liege“, darunter auch antisemitisches, was ihm später vorgeworfen wurde, dem weitgehend unpolitischen Simenon aber nach dessen eigener Aussage eben aufgetragen worden war – und er hat es dann geschrieben. Nach einiger Zeit hat er seine eigene Kolumne, veröffentlicht humorvolle Kurzgeschichten und schließlich im Jahr 1921 einen ersten Roman (Pontes des Arches, übersetzt in etwa: Die Bogenbrücke). Da ist er gerade einmal 18 Jahre alt. Nach absolvieren eines kurzen Militärdienstes geht er gemeinsam mit der einige Jahre älteren Kunststudentin Régine Renchon nach Paris, wo er sich als „Trivialschriftsteller“ versuchen will.

Simenons erste Erfolge: Sex und Crime und Josephine Baker

Erste Erfolge bringen ihm erotische Kurzgeschichten für frivole Pariser Magazine, nebenbei arbeitet er erst als Sekretär für einen anderen Schriftsteller, später für den Marquis Raymond de Tracy und veröffentlicht nebenbei in bis zu 14 verschiedenen Magazinen, darunter auch die Zeitung Le Matin, bei der die damals schon berühmte Schriftstellerin Colette seine Arbeiten redigiert und ihm rät „alles literarische zu streichen“. Diesem Rat verdankt Simenon wohl seinen trockenen, nüchtern-beobachtenden Stil, der im Folgenden typisch für ihn wird und den er auch bei anspruchsvollen Werken beibehielt. Bald schreibt er auch erste Trivialromane und beginnt anständig zu verdienen. Zu einem Bruch mit seinem bisherigen Leben kommt es im Jahr 1928, nach einer kurzen Anstellung bei der damals schon weltberühmten Josephine Baker. Erst wird er ihr Liebhaber, dann flieht er geradezu vor ihr, da er Angst hat, als „Mr. Josephine Baker“ bekannt zu werden. Er kauft sich ein Boot, „Ginette“, und tuckert mit Régine Rechon und dem bretonischen Hausmädchen „Boule“ (eigentlich: Henriette Liberges), mit der er natürlich auch eine Affäre anfängt, durch die Flüsse Frankreichs und schreibt allein im Jahr 1928 44 Groschenromane. 1929 kauft er einen seetüchtigen Fischkutter und schreibt 34 Kurzromane, bald darauf, irgendwann zwischen 1929 und 1930, erfindet er die Figur des Kommissar Maigret und beschließt, sich an anspruchsvolleren Krimis zu versuchen, die damals aber natürlich auch mehr oder weniger als „Schund“ galten und nicht wirklich zur Literatur gezählt wurden.

Maigret – ein neuer Typ Kommissar

Die Figur des Kommissar Maigret ist sicher Simenons bekannteste Schöpfung und sie begleitete ihn bis ins Alter hinein. Insgesamt schrieb Georges Simenon zwischen ca. 1930 und 1972, in dem der letzte Maigret-Roman entstand, 75 Romane und 28 Erzählungen mit Maigret als Hauptfigur. Dabei ist dieser Kommissar Maigret alles andere als ein genialer Detektiv und Logiker wie Sherlock Holmes, kein psychologisierender, liebenswerter Snob wie Hercule Poirot und auch keine akribisch ermittelnde Miss Marple: Dieser Monsieur Maigret, Kommissar bei der Police Judiciaire mit Sitz am Pariser Quai des Orfévres ist ein Kleinbürger mit einem Übermaß an Menschenliebe und Menschenkenntnis. Die Ermittlungsarbeit erledigen dann auch meist seine Untergebenen, während er selbst brütend, trinkend und zu Hause bei Madame Maigret speisend, versucht das Motiv zu enträtseln, indem er sich in die handelnden Personen hineinversetzt. Am Ende stehen dann meist ein langes, monologisierendes Verhör und die Aufklärung der Tat, nicht jedoch immer die Übergabe des oder der Schuldigen an die Justiz, der Maigret ebenso misstraut wie seinen zumeist großbürgerlichen Vorgesetzten. Auch die Verbrecher*innen sind meist „einfache Leute“, die aus einer Notsituation, aus Gier oder einer anderen Schieflage zu der Tat „kommen“, wenn man das einmal so sagen darf. Da gibt es natürlich Ausnahmen und ein reiches Personal an Zuhältern, Einbrecher*innen und anderen gewohnheitsmäßigen Straftäter*innen, die Maigret meist beim Vornamen kennt, wenn der Roman in Paris spielt. Diese stehen aber eigentlich nie im Mittelpunkt eines der Romane. Auch so etwas wie geniale Verbrecher*innen wird man bei Maigret (und Simenon) vergeblich suchen, Autor wie Figur sind – ob man dies nun gutheißt oder kritisiert – vor allem an den einfachen Leuten und Menschlichkeit interessiert. Der Vorwurf hingegen, Madame Maigret sei das Idealbild einer kleinbürgerlichen und unemanzipierten Ehefrau, wie es gern mal ins Feld geführt wird, stimmt natürlich. In der inneren Logik der Romane ist sie darüber hinaus meist mehr Staffage denn eine wirklich handelnde Person.

Adaptionen von Simenons Werk

Die Beliebtheit der Figur Maigret führte auch zu einer ganzen Reihe von Verfilmungen, darunter Kinofilme (u. a. mit Jean Gabin als Maigret, 50er Jahre) und eine Reihe von Fernsehserien, hauptsächlich französischer und englischer Produktion. Zuletzt wurde 2016 und 2017 eine Mini-Serie der BBC ausgestrahlt, die wohl auch weitergeführt werden wird, in der Rowan Atkinson, vielen besser als Mr. Bean bekannt, eine erstaunlich hagere, aber dennoch gelungene Verkörperung des Kommissar Maigret gibt. Diese neue Produktion basiert zwar auf den Romanen, nimmt sich aber auch einige, der heutigen Zeit angepassten Freiheiten. Insbesondere die Rolle der Madame Maigret wird sehr deutlich aufgewertet.

Zwischen den Genregrenzen

Die frühen, „echten“ Trivialromane Simenons zu finden, ist gar nicht so einfach, selbst wenn man des französischen mächtig ist. Die allermeisten sind – wahrscheinlich zu Recht – seit Ewigkeiten nicht mehr neu herausgegeben worden und neben den vielen verschiedenen Pseudonymen, die man beim Stöbern in einem französischen Antiquariat im Kopf behalten muss, ist die Chance wohl eher gering, hier auf lesbare Exemplare einer solchen „Gebrauchsliteratur“ zu treffen. Das spätere Werk Simenons hingegen, die Maigrets, die Entwicklungsromane und psychologischen Skizzen, wie alle Bücher Simenons hastig geschrieben und nie lektoriert, da der Autor sich dagegen wehrte, will sich nicht so recht einpassen in das Gefüge von ernster Literatur und Unterhaltungsliteratur, zu der ja zum Beispiel Krimis in Deutschland auch heute noch gern gerechnet werden. Das seltsame an Simenons Werk: Bei aller stilistischen Zurückhaltung und zumeist dem Verweilen beim ersten Entwurf sind diese Bücher nie wirklich trivial. Sie sind keine reine Unterhaltung. Sie sind aber auch keine angestrengt hergestellte, gezwungen-gewollte Literatur, wie man dies vielleicht insbesondere ab den späten sechziger Jahren vermehrt beobachten kann. In gewisser Weise nahm Simenon damit in sich und seinem Werk eine Entwicklung voraus, die sich heute langsam in ganzer Breite zu entfalten beginnt: Die Einebnung der einfachen Kategorisierung in „Genre Literatur“ (will sagen: Schund) und Literatur (Vorsicht! Kunst! Muss unbedingt schwer verständlich sein!), wie sie sich bei vielen Autor*innen, Leserinnen und Lesern und insbesondere in den angelsächsischen Ländern auch in der Literaturkritik schon des längeren vollzieht.