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Henning Mankell

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Henning Mankell steht für die meisten für Wallander. Das Werk des schwedischen Autors ist aber deutlich vielseitiger. Neben seinen Afrika-Romanen sind vor allem seine essayistischen und dramatischen Arbeiten und Bearbeitungen zu nennen. Sprache und Stil zeichnen sich durch Klarheit und Einfachheit aus, allein bei den Erzählperspektiven experimentiert Mankell mitunter deutlich mehr, als man denken sollte. Wikipedia

Steckbrief Henning Mankell

  • Daten: 03. Februar 1948 bis 05. Oktober 2015
  • Geburtsort: Stockholm
  • Sprache(n): Schwedisch
  • Hauptwerke o. Reihen: Wallander-Romane
  • Rezensierte Bücher: Die weiße Löwin, Der Chronist der Winde
  • Genres: Krimi und Gesellschaftsromane, dramaturgische Arbeiten und Bearbeitungen (z.B. 2 Tatort-Drehbücher)
  • Webseite: ehemalige Webseite (archiviert)
  • Adaptierte Filme/Serien: verschiedene Wallander Filme und Serien, Comédia infantil (Der Chronist der Winde, Film, Schweden 1998)
  • Lesestoff: für Krimifans (Wallander-Romane & Thriller), Afrika-Interessierte

Jugend, Theater und der Weg zum Schriftsteller

Henning Mankell wuchs als Kind mit einer älteren Schwester bei seinem Vater, dem Juristen und späteren Richter Ivar Henningsson Mankell auf, die Eltern hatten sich nicht lang nach seiner Geburt scheiden lassen. Der Wunsch Schriftsteller zu werden, kam in Mankell schon als Jugendlicher auf, gleichzeitig interessierte er sich sehr für das Theater und so machte er eine Ausbildung an einer Schauspielschule und begann 1966 als gerade einmal 18-Jähriger als Regieassistent am Rikstheater in Stockholm zu arbeiten. Ab 1968 arbeitete Mankell als Regisseur und vermehrt auch als Autor. Kurze Zeit später zog er aufgrund der Beziehung zu seiner ersten Frau nach Norwegen und begann auch Prosatexte zu veröffentlichen, die hauptsächlich einen gesellschaftskritischen Hintergrund hatten, wie er sich bis in das Spätwerk und auch in die berühmten Wallander-Romane durchaus fortzieht. Mankells Prosawerk zeichnet sich unter anderem durch die liebevolle und häufig auch verständnisvolle Auseinandersetzung mit der Entwicklung der schwedischen Gesellschaft sowie in seinen auf Afrika bezogenen Werken durch die Lebensrealität und gesellschaftlichen Verwerfungen in Schwarzafrika aus. Dabei nehmen Mankells Figuren häufig persönlich Anteil an den Verhältnissen und reflektieren über diese, auch im Rückblick auf eine in Schweden häufig als idyllisch angesehene Vergangenheit. Dabei steht nie eine Lösung im Raum, es geht eher um Sensibilisierung und ein sehr menschliches Bedauern und Aufzeigen von gesellschaftlichen Entwicklungen, die von den Figuren (und wohl auch vom Autoren) als problematisch angesehen werden.
Nach mehreren Jahren in Norwegen begann Mankell in den 80er Jahren, in denen er auch Intendantenposten an schwedischen Theatern innehatte, zwischen Schweden und Afrika zu pendeln, das er zuerst in den 70er Jahren für zwei Jahre bereist hatte. Maputo in Mosambik wurde im Folgenden immer mehr zu seiner Wahlheimat und außer den Sommermonaten, die Mankell meist in Schweden verbrachte, verlagerte sich sein Lebensmittelpunkt nach Afrika. Unter anderem baute er in Maputo eine Theatergruppe auf, später wurde er Leiter des einzigen professionellen Theaters in Mosambik und wurde mit dem 70-köpfigen Ensemble zu vielen europäischen Festivals und Gastspielen eingeladen.

Wallander – die Figur, die Henning Mankell international zum Star machte

Man kann kaum über Henning Mankell sprechen, ohne über Wallander zu sprechen. Zu bekannt, beliebt und übergroß in allen erdenklichen Medien, von Film über Audiobücher bis hin zum guten alten Buch, ist dieser häufig brummelige, ein bisschen zu viel trinkende, leicht dickliche, melancholische aber tief drin absolut herzensgute Kommissar. Was genau ihn für so viele Leser*innen, Hörer*innen und Zuschauer*innen derart sympathisch macht, dass Wallander sich als irgendwie ja typischer Schwede, zumindest von außen mit einem fremden Blick betrachtet, in die Herzen eines weltweiten Publikums katapultiert hat, ist schwer zu fassen. Zum einen sprechen sicher verschiedene Facetten dieses ganz und gar nicht schwarz-weiß gezeichneten Kleinstadtkommissars verschiedene Menschen unterschiedlich stark an. Das Kleinstadt-Motiv, dieses irgendwie urtypisch europäische, tut zumindest im Kontext der europäischen Länder ein Übriges und lässt die Figur, die persönlichen Dramen und Glücksmomente echt wirken, anschließbar sein. Dieser Kerl mit Hang zur Oper und hochprozentigen Alkoholika, der Frauen gegenüber tapsig und unsicher und ungeschickt ist wie ein Teenager, ist ganz sicher kein Superheld, kein toller Hecht, kein genialer Ermittler. Ihn zeichnet vor allem Mitgefühl und Menschlichkeit aus, Dinge, die anderen Inspektor*innen und Kommissar*innen aus der Krimiwelt dann gern schon mal teils oder ganz abgehen, man denke nur an den Logiker Holmes oder den Dandy Poirot, beide nicht unbedingt die empathischsten und liebenswertesten Charaktere. Dabei bleibt das Grundinteresse und die den Kriminalromanen mit Wallander zugrundeliegenden Thematiken bei Mankells ursprünglichem Impuls der Gesellschaftskritik. So kann man fast alle Prosawerke Mankells auch als eine gesellschaftliche Bestandsaufnahme, Analyse und Kritik lesen. Stilistisch verlässt er dabei insbesondere in den Wallander-Krimis nie den Boden des Realismus und einer sehr einfach gehaltenen erzählerischen Haltung, auch wenn diese manchmal mit Perspektivwechseln und Rückblenden arbeitet, wie sie auch für das filmische Erzählen nicht unüblich sind.

Jenseits von Wallander: Henning Mankells Afrika-Romane, Kinderbücher und Theaterstücke

Mankell als Autor auf seine erfolgreichen Kriminalromane zu verkürzen, ist dabei sicher ein Fehler – gerade seine Auseinandersetzung mit Afrika hat hervorragende essayistische Texte und Prosawerke hervorgebracht, die absolut lesenswert sind. Wie so oft ist deren Ausstrahlung über eine interessierte Minderheit jedoch ziemlich gering und es zeigt sich einmal mehr, dass gesellschaftlich relevante Literatur vor allem eines tun muss, um gesehen, von einer möglichst diversen Schicht von Menschen gelesen zu werden: Sie muss raus aus der „Schmuddelecke“ der Literatur und den Spagat schaffen, gleichzeitig gesellschaftlich relevante Themen und Fragestellungen zu transportieren und populär anschlussfähig zu sein. Für viele Literaturschaffenden ist das selbstverständlich ein Unding und einige, die diesen Spagat bewundernswert schaffen, wie dies z. B. Orhan Pamuk in vielen seiner Werke gelingt, werden von weiten Teilen der Leserschaft trotzdem als „hohe Literatur“ angesehen und so nur unter (meist nur anfänglichen) Schmerzen als Lesestoff in Betracht gezogen. Das Label und Genre „Kriminalroman“, das insbesondere in Deutschland bis heute seine Schwierigkeiten hat, als literarisch satisfaktionsfähig angesehen zu werden, hilft im Falle Mankells wohl, diesen gefühlten – und gefürchteten – Graben zu überspringen.