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Ein Großmeister des Erzählens und lange Zeit eine der einflussreichsten Gestalten des amerikanischen Literaturbetriebs: Der kürzlich verstorbene Philip Roth ist heute schon ein Klassiker. Roth setzte sich dabei zeitlebens für eine offene, liberale Gesellschaft ein. Ein besonderer Fokus liegt auf der sexuellen Revolution der 68er Generation, in der Roth die Möglichkeit einer Befreiung aus der bis heute durch Religion und teils frauenfeindlichen Kultur der USA sah, wie sie sich von den strenggläubigen ersten Siedlerinnen und Siedlern (Puritaner) her ableitet und bis heute Wirkungsmacht hat. Viele Werke des Autors sind deutlich autobiografisch geprägt und haben dadurch eine gewisse Echtheit und Ehrlichkeit, wie sie sonst selten zu finden ist. Wikipedia

Steckbrief Philip Roth

  • Daten: 19. März 1933 bis 22. Mai 2018
  • Geburtsort: Newark
  • Sprache(n): Englisch
  • Hauptwerke o. Reihen: zwei Trilogien um die Figur Nathan Zuckerman, Portnoys Beschwerden
  • Rezensierte Bücher: Empörung, Das sterbende Tier
  • Genres: Gesellschaftsroman mit autobiografischen Bezügen
  • Webseite: Autorenwebseite Hanser Verlag
  • Adaptierte Filme/Serien: Verfilmungen vieler seiner Werke, The Plot against America (TV Mini-Serie, USA 2018)
  • Lesestoff: für alle. Wirklich alle. Einfache Sprache, meisterhafte Erzähltechnik, spannende Plots und Figuren.

Leben und autobiographische Bezüge im Werk von Philip Roth

Philip Roth wird 1933 in Newark im Bundesstaat New York geboren und wächst dort im Viertel Weequahic auf, wo er auch die Highschool besucht, die er um 1950 abschließt. Newark, das Viertel, indem Roth aufwuchs, die jüdische Lebenswelt der Mittelschicht und schließlich sogar seine Highschool, die in Portnoys Beschwerde eine bedeutende Rolle spielt, tauchen immer wieder im Werk des Autors auf. Nach dem Besuch der Bucknell University, an der er seinen Bachelor in Englisch mit magna cum laude abschließt, setzt er seine Studien in Chicago fort, wo er nach Abschluss seines Studiums, Master in englischer Literatur, eine kurze Zeit als Tutor im Writing Programm der Hochschule arbeitet. Später lehrte Roth kreatives Schreiben an der Universität von Iowa und in Princeton sowie vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität von Pennsylvania. Roth beendete seine akademische Laufbahn im Jahr 1991. Die lange Zeit seiner Lehrtätigkeit erklärt wohl auch das wiederkehrende Motiv des College in vielen seiner Werke und die Nähe vieler seiner literarischen Figuren zu diesen Lehreinrichtungen. Auch wenn Roth jüdischer Herkunft ist und die jüdische Welt der amerikanischen Mittelschicht immer wieder eine nicht unbedeutende Rolle in seinen Romanen spielt, ist Roth überzeugter Atheist. Seiner eigenen Aussage in einem Interview mit dem Guardian nach empfindet er Religion ganz allgemein als eine einzige, große Lüge.

Themen und Motive im Werk von Philip Roth

Das Werk von Philip Roth bezieht sich stark auf die inneren Zusammenhänge der Gesellschaft in den USA. Ein Fokus liegt dabei auf den 50er und 60er Jahren. So thematisiert er die Zeit des Koreakrieges und die insbesondere sexuelle „Spießigkeit“ der 50er Jahre in seiner Novelle „Empörung“, die 2016 auch verfilmt wurde. In anderen Büchern spielt die McCarthy Ära eine Rolle oder die Schwierigkeiten des „Coming of Age“ in einem bigotten und repressiven Gesellschaftsklima. Interessanterweise schafft es Roth dabei sehr geschickt, seine Romane – wenn sie im Kontext der Zeit ihres Entstehens gelesen werden und nicht zwingender Weise in dem der Handlungszeit – als Spiegel auch aktueller Entwicklungen in den USA zu gestalten. So ist eines der im Hintergrund spinnenden Themen, die in Roths Roman „Das sterbende Tier“ verhandelt wird der amerikanische Puritanismus, dem die (sexuelle) Befreiung der 68er Bewegung gegenübergestellt wird, die zum Zeitpunkt der Publikation des Romans (2001) teilweise durch die konservativen Gegenbewegungen und andere gesellschaftliche Entwicklungen in Bedrängnis gekommen war und in den USA zumindest außerhalb der großen Städte ständig in Bedrängnis ist. So erklären sich vielleicht auch die Verfilmungen von gleich drei Büchern des Autors, „American Pastoral“ (2016), „Empörung“ („Indignation“, 2016) und „Das sterbende Tier“ unter dem Titel „Elegy“ (2008), in den letzten Jahren. Insgesamt wurden bislang acht Werke von Philip Roth für Film und Fernsehen bearbeitet.

Die Brust und Der Plot gegen Amerika

Eine besondere Erwähnung verdient der im Werk des Autors exzeptionell erscheinende, kafkaesk-surreale Roman „Die Brust“, in dem der gleiche Protagonist wie in „Das sterbende Tier“ sich in eine riesige, schwere weibliche Brust verwandelt. Die Nähe zu Kafkas „Die Verwandlung“, in der sich Gregor Samsa in ein Insekt verwandelt, und Gogols Erzählung „Die Nase“, in welcher der Protagonist Kovalyov verzweifelt durch St. Petersburg rennt und seiner abhanden gekommenen Nase habhaft werden will, die ein seltsames Eigenleben zu führen beginnt, liegt auf der Hand. Ein anderer, sich vom restlichen Werk zumindest vom Setting deutlich abhebender Roman ist „Der Plot gegen Amerika“, in der Roth eine alternative Geschichte der USA entwirft, in der sein junges Selbst der Hauptcharakter ist und Charles Lindbergh 1940 statt Theodor T. Roosevelt amerikanischer Präsident wird und ein Nichteinmischungsabkommen mit Hitler und Japan unterzeichnet. Gleichzeitig werden antisemitische Tendenzen in diesen imaginierten Vereinigten Staaten gesellschaftsfähig und das Leben der Familie Roth deutlich schwieriger. Überhaupt sind die autobiografischen Bezüge in Roths Werk ein roter Faden, manche Literturkritikerinnen oder -kritiker gehen vielleicht sogar so weit zu sagen, dass „Roth immer über Roth schreibt“.

Philip Roth eingängiger Stil

Stilistisch bedient sich Philip Roth einer klaren, einfachen Sprache, die aber je nach Hauptfigur der Romane auch schon einmal anspruchsvoller sein kann, wie bei dem Professor und Kritiker Kepesh in „Die Brust“ und „Das sterbende Tier“, und webt in seine Plots gerne Anspielungen an Lektüre, Ideen und gesellschaftlich-kulturelle Ereignisse ein, die gerade für gut informierte Leserinnen und Leser eine zweite Erzählstruktur eröffnet, die aber für das Lesen, Verstehen und Genießen der Romane nicht notwendig ist. Je nach Übersetzung fällt einer aufmerksamen Leserschaft sicher auch die dem englischen eigene, einfachere Satzstruktur auf. Dies funktioniert in seiner Übertragung ins Deutsche erfahrungsgemäß mal mehr und mal weniger gut – wie bei allen Übersetzungen aus dem Englischen. Wer es sich zutraut, sei die Lektüre im Original ans Herz gelegt. Hier scheint die Klarheit der Sprache noch etwas deutlicher hervor und man bekommt ein besseres Gefühl für den Rhythmus, der durch Übersetzungen immer etwas gestört wird.