Bücher für den Sommer

Sonne, Meer und gut Bücher

Ah! Sommer! Jetzt steht er langsam vor der Tür und bald geht es für viele auf Reisen. Ans Meer, in die Berge, auf die Datscha oder nach Balkonien – ganz egal, ein gutes Buch ist DER Begleiter für ruhige Stunden, schattige Strände und laue Sommernächte. Dabei geht es gar nicht so um Literatur oder Unterhaltung, vielmehr um den Leser und deshalb wollen wir ein paar Vorschläge machen, wie sie ihre Sommertage passend verlesen können.

Der Misanthropische Hochliteraturliebhaber

Natürlich: der Menschenhasser und Sommerverächter, der mit Kierkegard nörgelnd im Schatten eines Schirms am Strand liegt, während der oder die Begleiter, Partner, Kinder sich fröhlich planschend in den Wellen tummeln. Als Leseempfehlung gibt es da tatsächlich eigentlich nur eines: holen Sie ihren Thomas Mann hervor. Für Italien „Der Tod in Venedig“, für Nord- und Ostsee die Reise von „Tonio Kröger“ und im Gebirge „Der Zauberberg“. Man könnte fast meinen, Thomas Mann sei Reiseschriftsteller, so oft finden sich seine Figuren auf dem Weg, unterwegs, auf der Suche. Und im Sommer sucht man ja auch: Anregung, Entspannung, Lust. Wer seinen Mann nun schon ganz durchgearbeitet hat, der kann natürlich auch zu Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ greifen, auf jeden Fall die passende Lektüre für den Aufenthalt in einer französischen Kleinstadt, oder zu Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“, was ja eher ein Projekt ist und was eignet sich besser für das Angehen eines Projektes, als das Dolce Vita langer Sommertage und so wunderbar österreichisch skurril ist es sowieso. Apropos Österreich, wer es ein wenig humorvoller, zynischer, ironischer mag, der packt sich ein paar Bände Thomas Bernhard ein.

Die Regionalen

Das Regionale liegt voll im Trend. Von den Zutaten des täglichen Essens über Bier, Wein und Spirituosen bis hin zu Kirchen, Kultur und Folklore: Reisen bedeutet immer auch, neue Welten zu entdecken, neue Küchen zu probieren und – vielleicht – sogar ein paar brocken einer neuen Sprache zu lernen. Was liegt da näher, als auch etwas regionales zu lesen? Das denken sich inzwischen auch ganze Horden von Schriftstellern, so scheint es, und so gibt es gerade hier bei uns in Deutschland eine ganze Industrie an regionaler Literatur, insbesondere Krimis. Von Ostfriesland über die Eifel bis ins bayrische Voralpenland: keine Ecke von Deutschland, in der nicht Hobbydetektive, Polizisten und Ansässige den fiktiven Verbrechen in ihrer unmittelbaren Heimat nachgehen. Der Trend treibt inzwischen auch schon recht seltsame Blüten. So schreibt der Verleger Jörg Bong unter dem Pseudonym Jean-Luc Bannalec ganz wunderbare Bretagne Krimis, die es inzwischen sogar als Serie ins ARD gebracht haben. Die Fernsehfilme, na ja, aber die Bücher transportieren tatsächlich wunderbar lokales Kolorit und erlauben es dem Leser in die bretonische Lebens- und Kulturwelt einzudringen. Ulrich Wickert hat derweil Krimis geschrieben, die in der Normandie spielen, wo dieser seit langem ein Ferienhaus besitzt. Für Süditalien muss es hingegen natürlich die Familiensaga von Elena Ferrante sein. Diese Liste ließe sich jetzt ewig fortsetzen, beinahe egal, wohin man in Frankreich, Deutschland, Europa reist, irgend jemand schreibt drüber, meist Krimis, klar. Nun lohnen sich diese Bücher natürlich nicht nur als Lektüre vor Ort, also keine Zurückhaltung bitte, wenn es erst irgendwann in der Zukunft mal in die Bretagne oder an die Nordseeküste gehen soll.

Auf den Straßen

Ja, Roadtrips und Interrail sind natürlich geil. Und was passt da besser als Lektüre als die schnellen, immer in Bewegung bleibenden Bücher der Beatpoeten (und ihrer Nachfolger). Da ist vor allem Jack Kerouacs „On The Road“, das man gerade als junger Mensch gelesen haben sollte. Dazu Boris Vian, diesem existentialistischen Multitalent, der Jazztrompeter, Schriftsteller, Schauspieler, Übersetzer und Chansonnier in einem war. Seine absurd-grotesken, teils brutal deutlichen Romane sind auch heute noch eine echte Entdeckung wert. Neben dem berühmten „Der Schaum der Tage“ hat gerade unter heutigen politischen Gesichtspunkten auch sein zweiter Roman, „Ich werde auf eure Gräber spucken“, den er als Übersetzung eines amerikanischen Sex & Crime Groschenromans ausgab, unbedingt lesenswert. Wer es aktueller mag, der kann sich mit Paul Auster auf die Reise nach New York machen (New York Triologie) oder mit David Pynchon in die Tiefen und Untiefen des heutigen Amerika abtauchen. Natürlich ganz sicher von der Liege am Pool aus, oder so.

Für den Norden

Wen es zur Sommerfrische hinauf in den Norden, nach Skandinavien, Schottland oder das Baltikum zieht, der braucht natürlich Lesestoff, der nach sauren Gurken, Sauna und (viel) zu viel Vodka schmeckt. Mankells Wallander kann da ein guter Einstieg sein. Der ganze Verdruss des Protagonisten, Kommissar Kurt Wallander, an den Zuständen der Welt, Schwedens, seiner Familie und – am Ende – seiner selbst, sind irgendwie richtig schön nordisch-düster. Zudem sind die Bücher wirklich gut übersetzt. Daneben gibt es natürlich all die vielen Thriller, die in Skandinavien Jahr für Jahr geradezu wie am Fließband produziert zu werden scheinen. Wer es existentialistischer mag, der greift zu Älterem, wie Knut Hamsuns „Hunger“, oder den mit Preisen überhäuften Karl Ove Knausgård.

England

Der Brexit kommt, also ein Grund mehr, die verrückten Briten endlich mal wieder auf ihrer Insel zu besuchen. Außerdem kann man so vielleicht auch noch eine Harry & Meghan Gedenktasse bei einem gewieftem Souvenirhändler zu absolut überhöhten Preisen erwerben. Man kann auch sagen: dann hat sich Urlaub sowieso schon gelohnt. Aber Spaß und Royals beiseite: die englische Literatur ist eine Schatztruhe voller Entdeckungen, auch ganz jenseits von Shakespeare, Bram Stokers Dracula, Oliver Twist und Harry Potter. Für Schottland kann man sich auf den Klassiker „Waverley“ von Sir Walther Scott stützen, mit Sherlock Holmes und Hercule Poirot durch London streifen oder mit Miss Marple die kleinen Morde in der Provinz untersuchen. Diese weltberühmten Autoren und Spürnasen sind aber natürlich nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges, aber wie in Good Old Germany, gibt es auch bei den Briten regionale Bücher und Krimis zu Haufe. Am besten im Original lesen!

Neue Bücher

Hach! Neuerscheinungen! Ein unübersichtliches Minenfeld von großen und kleinen, guten und schlechten Autoren, Büchern, Kritikern und Kritiken. Leider – das gibt dieses Projekt noch nicht her – hatten wir nicht die Zeit (und die Leseexemplare), um hier alle Neuerscheinungen selber zu testen. Uns bleibt da nur, eine Liste zu machen. Unsere Top Ten an neuen (und neu herausgegebenen) Büchern sozusagen, auch wenn wir sie nicht durchnummerieren.

Aus Deutschland

Frank Schätzing mit „Die Tyrannei des Schmetterlings“. Natürlich ein Thriller mit wissenschaftlicher Anreicherung, für die Schätzing ja bekannt und beliebt ist. Spielt in Nevada, was sich schon mal gut anhört. Bestimmt ein anständiger Schmöker.

Venedig

Ein neuer Brunetti Krimi von Donna Leon („Heimliche Versuchung“). Na das verkauft sich wie geschnitten Brot und ist sicher immer noch solider Sommerlesestoff, auch wenn die amerikanische Grande Dame der Regionalkrimis auch schon hart auf die achtzig zusteuert.

Wein

„Chateau Mort“, das Médoc, ein französischer Kommissar, also genau die richtigen Zutaten für lange Tage mit Käse, Rotwein und Charcuterie auf der Terrasse oder im Café an der Gironde. Der zweite Luc Verlain Roman des deutschen Autors und Journalisten Alexander Oetker.

Komische Kunst

Mit „Leinsee“ wirft Anne Reinecke in ihrem Debüt einen ironisch-kritischen und doch liebevollen Blick auf die Kunstszene, auf Künstler, Geld, Eitelkeiten und den allgemeinen Wahnsinn des Kulturbetriebs zwischen Berlin-Mitte und dem ruhigen Bodensee. Sicher lesenswert und für den einen oder anderen Lacher gut.

Frauenleben

Ein Zopf, drei Frauen, eine Autorin, die vom Film kommt. Der nüchterne Titel (Der Zopf) wirft gleich das Licht auf das die drei Leben der in diesem Episodenroman beschriebenen Frauen aus ganz unterschiedlichen Millieus und Ländern verbindet. Erstlingswerk der Französin Laetitia Colombani, Filmrechte sind – natürlich – auch schon verkauft.

Für Kinder

„Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“. Muss gut sein, ist ja mit Räuber Hotzenplotz. Und obendrein noch vom leider verstorbenen Ottfried Preußler geschrieben. Hat die Tochter in einer Schublade gefunden. Kann man wahrscheinlich selbst als Erwachsener lesen und Spaß haben.

Sachbuch

David Precht. Gefürchtet und geliebt, natürlich aus der Kategorie Leib- und Magenphilosophen, dafür tut er meist auch nicht so, als würde er tatsächlich wissenschaftlich arbeiten, wie das Slavoj Zizek in seinen ewigen Granteleien dauernd passiert. Mit „Jäger, Hirten, Kritiker“ kann man sich sicher den einen oder anderen Sommerabend um die Ohren schlagen. Geht um eine Utopie für die digitale Gesellschaft. Immerhin mal keine Dystopie, allein deswegen lobenswert.

Pop-Literatur

„Rockabilly“. Eine Poetik des Tattoos, ein Komet, der in einer amerikanischen Vorstadt einschlägt und das Nachtleben als schlafwandelndes watscheln durch Wal-Mart Regalreihen. Die Dystopie von Mike Wilson ist im kleinen Diaphanes Verlag erschienen, der immer wieder mit seinem tollen Programm überzeugt.

Klassiker sozusagen

Der Erzählungsband „Vier Begegnungen“ versammelt vier Kurzgeschichten von Henry James, zwei davon wurden zum ersten mal ins Deutsche übersetzt. Ein guter Begleiter für den Sommer von einem der Großmeister der amerikanischen Literatur.

Kürzlich verstorben

Philip Roth. Einer der ganz Großen des zwanzigsten Jahrhunderts ist tot – also ein Grund mehr, endlich seine Bücher zu lesen. Die Auswahl ist riesig und der Markt wird sicher bald mit Neuübersetzungen und Wiederaufgelegtem überschwemmt. Das ist sozusagen der „Menschliche Makel“ des Buchmarkts.

Bilder : Adobe Stock, Nr. 203964898

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