Dr. Adrian Weynfeldt ist Mitte fünfzig, Junggeselle und der – letzte – Spross eines Züricher Bürgergeschlechts. Mit Vermögen ausgestattet und unabhängig arbeitet er als Kunstexperte und Auktionator oder, um es anders auszudrücken, geht seinen Interessen nach und ist hauptberuflich sozusagen Erbe. Früher hätte man diesen Weynfeldt, einen ebenso skurrilen und spleenigen wie liebenswürdiger Kerl, mit dem durchaus charmanteren Begriff des Privatiers beschrieben. Bei allen Unzulänglichkeiten des letzten Weynfeldts ist er ein treuer Freund, der den alten Bekannten seiner Eltern ebenso die Treue hält, wie er seine jüngeren Bekannten unterstützt, wie er kann – und das ist zumeist mit Geld, denn daran mangelt es ihm wirklich nicht. Trotz dieser komfortablen Lebenssituation jenseits der Midlife-Crisis kann man nicht anders, als den letzten Weynfeldt zu mögen – und sich durchaus auch über ihn lustig zu machen. Ein wirklicher Kunstgriff des Autors Martin Suter, der uns in seinem sechsten Roman (2008), einen „Helden“ vorsetzt, der in keine Kategorie passen will. Und natürlich werden die Ereignisse im Roman durch eine jüngere und recht hübsche Frau in Gang gesetzt – Lorena, die Weynfeldt in seiner Stammbar trifft, wo er wie immer einen Martini nimmt, aber nur die eine Olive isst. Als der Kellner ihm einmal zwei Oliven ins Glas gibt, legt Weynfeldt die überzählige Olive wortlos neben sein Glas. Neben Lorena und den Oliven im Martiniglas spielen vor allem drei weitere Entitäten eine wichtige Rolle: Klaus Baier, einer der ältesten Freunde Weynfeldts und, wie dieser, Spross einer allerdings verarmten Bürgerfamilie, der erfolglose Kunstmaler Rolf Strasser und das weltbekannte Gemälde „Femme nue devant une salamandre“ (nackte Frau vor einem Kamin) des berühmten Schweizer Malers Félix Valloton.
Handlungsablauf des Romans Der letzte Weynfeldt von Martin Suter
Weynfeldt trifft Lorena in einer Bar und nimmt sie mit nach Hause. Am Morgen steht die junge Frau auf der Balkonbrüstung und will sich in den Tod stürzen, was Weynfeldt gerade so noch verhindern kann. Später wird sie in einer Luxusboutique beim Klauen erwischt und Weynfeldt sieht sich genötigt, sie auszulösen – und kauft gleich noch zwei weitere Kleider. Parallel dazu wendet sich Baier, der mit seinen 78 Jahren entschlossen hat, in ein edles Seniorenheim am Comer See zu ziehen, an Weynfeldt, um den Verkauf des geerbten Gemäldes „Femme nue devant un salamandre“ in die Wege zu leiten. Statt das Gemälde im Auktionshaus Murphy´s einzulagern, für das Weynfeldt als Auktionator arbeitet, nimmt er das Gemälde mit nach Hause. Nachdem er Besuch von dem Kunstmaler Strasser erhält, der sich – mal wieder – Geld von ihm leihen will, dann dieses aber plötzlich nicht mehr benötigt, geht Weynfeldt der Sache auf den Grund – und findet heraus, dass das ihm von Baier überlassene Gemälde eine äußerst gelungene Fälschung von der Hand Strassers ist. Viele Irrungen und Wirrungen (und eine Erpressung) später zieht Lorena schließlich bei Weynfeldt ein, das echte Gemälde ist für eine Rekordsumme versteigert – und Weynfeldt ist der Käufer.
Stil und Hintergrund des Romans Der letzte Weynfeldt
Martin Suter pflegt einen süffisanten, ironischen und nicht selten beinahe etwas altmodisch anmutenden Stil. Gerade diese Verweigerung gegenüber avantgardistischen oder experimentellen Tendenzen macht die Romane (und Kolumnen) des Autors allerdings eine Freude zu lesen und trägt sicher mit zu dem Erfolg seiner Bücher bei, die seit seinem Durchbruch mit seinem Debüt „Small World“ eigentlich alle direkt zu Bestsellern geworden sind. Der Ironie, dem Personal und der feinsinnig gesponnenen Sprache, die ohne große Metaphern auskommt, merkt man mitunter natürlich an, dass Suter ursprünglich aus der Werbung kommt. Pointen und gut gesetzte Sticheleien kann er sich nicht verkneifen und die Personen in vielen seiner Romane kommen aus der „Business World“. Der letzte Weynfeldt ist da von einem anderen Schlag und in gewisser Weise setzt Suter der wohl langsam aussterbenden Rasse des alteingesessenen Bürgertums (und seiner Heimatstadt Zürich) eine Art ironisch gebrochenes Denkmal. Besonders hervorzuheben ist der Kunstgriff mit dem Gemälde, das als Objekt sozusagen zu einer der tragenden Handlungsangelpunkte wird. Die Romanze mit Lorena und der verarmte, betrügerische Freund hingegen sind beinah schon ein bisschen Klischee – dem Genuss dieses Buches tut das aber keinen Abbruch.
Verfilmung durch Alain Gsponer
Wie einige andere Werke des Autors wurde auch „Der letzte Weynfeldt“ verfilmt. Die Koproduktion von ZDF und Schweizer Rundfunk aus dem Jahr 2010 hält sich grob an die Handlung des Romans, mischt diese aber mit etwas mehr Dramatik auf – insbesondere was die an sich so wundervoll langweilige Person Weynfeldt angeht. Dies ist natürlich dem Medium geschuldet und nachvollziehbar, verändert aber doch die Dynamik in der Figurenkonstellation recht dramatisch. Wir raten auf jeden Fall zum Buch, denn das ist wirklich lesenswert und wird den Leser und die Leserin sicher ordentlich zum Schmunzeln bringen.