Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord

Wie so oft bei Übersetzungen von zu der Zeit des Erscheinens noch eher unbekannten Literaturschaffenden, hat auch der Titel des ersten Adamsberg-Romans von Fred Vargas nichts mit dem Original zu tun. Da heißt das Buch „L´homme aux cercles beus“, frei übersetzt: „Der Mann mit den blauen Kreisen“. Und um blaue Kreise dreht sich in diesem intelligent konstruierten Roman, mit dem Fred Vargas ihr Durchbruch gelang, eigentlich alles. Der Gare du Nord kommt sicher auch irgendwo mal vor, spielen sich die Ereignisse doch in Paris ab und dieser große Fern- und Pendlerbahnhof sieht gerade morgens und zu Feierabend geradezu extreme Menschenmassen. Die Kreise nehmen aber für einen Großteil des Bandes geradezu den Stellenwert des Gegenspielers des Kommissars ein und sind – bis sich das Geheimnis nach und nach lüften lässt – der rote Faden, der das ganze Buch zusammenhält, wenn man so will.

Handlung des Romans von Fred Vargas

Aber lassen wir die Übersetzung von Titeln die Übersetzung von Titeln sein und springen hinein in die Handlung: Ein Unbekannter malt mit blauer Kreide Kreise auf das Gehweg Pflaster. Ein schlechter Scherz? Eine Kunstauktion? Wäre da nur nicht dieser eine, kurze Satz, der immer in die Kreise geschrieben ist: „Viktor, böser Bube, was machst du hier draußen?“ Das Ganze ist ein Rätsel – eines, dass gelöst werden muss. Kommissar Adamsberg, ein kleiner, braunhaariger Mann mit melancholischen Augen, der ursprünglich aus den Pyrenäen stammt, liest wie alle in Paris erst nur in der Zeitung über die Kreise. Erst als die Wissenschaftlerin Mathilde Forestier sich den Kreisen annimmt und Adamsberg ihre Beobachtungen und Bedenken mitteilt, beginnt der Kommissar sich die „Tatorte“ selbst anzusehen. Für ihn haben sie gleich etwas Drohendes, ja Morbides an sich. Daher beginnt er auf eigene Faust nicht nur seine Zeit, sondern auch Ressourcen seiner Abteilung zu verwenden, um dem Geheimnis der Kreise auf die Spur zu kommen. Da er noch recht neu in Paris ist und seine Stelle gerade erst angetreten hat, bekommt er einiges an Gegenwind von den verschiedenen Charakteren aus seiner Abteilung, die der Leserschaft über die Dauer der insgesamt neun Adamsberg Romane genau wie dieser seltsame Kommissar, der nie analytisch vorgehen kann, ans Herz wachsen.

Die wunderbar skurrilen Figuren der Adamsberg-Reihe

Eine ganz große Stärke von Fred Vargas sind ihre liebevoll-verrückten Charaktere, die sich beinahe alle durch eine komische und sympathische Skurrilität auszeichnen. Danglard z. B. ist alleinerziehender Vater, Alkoholiker (Weißwein) und ein misanthropisches wandelndes Lexikon mit Gewichtsproblemen. Adamsberg selber scheint eher wie eine Alge in der Brandung durchs Leben zu treiben und selbst die Wissenschaftlerin, die auch in späteren Romanen noch einmal auftaucht, und deren neue Bekanntschaft, ein zynischer, alter Blinder, mit dem sie auf eigene Faust ermittelt, sind sehr eigene, liebevoll gezeichnete Großstadtneurotiker. Man ahnt es wahrscheinlich schon: Es gibt wirklich ein dunkles Geheimnis um die Kreise und bald auch eine erste Leiche. Von da an gibt es für Adamsberg und Danglard kein Halten mehr und sie setzen alles daran, das Geheimnis zu lüften, um dem Mörder auf die Spur zu kommen und sind am Ende doch – wie die Leserinnen und Leser – überrascht.

Fazit zu “Es geht noch ein letzter Zug von der Gare du Nord”

Fred Vargas erfindet in ihrem Roman „Es geht noch ein Zug vom Gare du Nord“ nicht nur Kommissar Adamsberg, der inzwischen der Held von insgesamt 9 Romanen ist und der nicht mehr nur in Frankreich sozusagen ein guter alter Bekannter aller Krimifans ist, sondern ihr gelingt es auch, ihre ganz eigene Stimme zu finden. Diese zeichnet sich durch die skurrilen Figuren, eine liebevolle, ironische Äquidistanz und einer humorvollen Sprache aus. Dabei sind diese Romane wirklich keine Action-Reißer, sondern eher langsame Detektivgeschichten, die gegen die englische Tradition analytischer Superdetektive (Sherlock Holmes, Hercule Poirot etc.) auf einen Kommissar setzen, der ganz auf seine Intuition und seine Sensibilität setzt, um Kriminalfälle zu lösen. Mit knapp 240 Seiten (je nach Ausgabe versteht sich) ist es ein eher kurzer Adamsberg Roman und eignet sich dadurch besonders gut, um in die Welt von Fred Vargas einzutauchen. Vorsicht ist aber auf jeden Fall geboten: Kann durchaus süchtig machen und dann hat man eine ganze Menge Bücher zu lesen!

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