Gottes Werk und Teufels Beitrag

Irvings episches Werk das später verfilmt wurde

Bevor wir zur Rezension des Romans „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ (1985, Originaltitel: The Cider House Rules) kommen, müssen wir über Schinken sprechen. Schinken? Ja, genau – Schinken. Oder eben epische Erzählungen, denn mit seinen fast 900 Seiten zählt der Roman sicher zu Letzteren und geht umgangssprachlich durchaus als Schinken durch. Oder als Pflasterstein, als pavet – wie dicke und dickste Bücher in Frankreich genannt werden. Nun ist Irving ganz allgemein nicht dafür bekannt, sich erzählerisch kurz und knapp zu fassen, mit diesem Roman setzte er aber den Vorgängern nochmal eins drauf. Inzwischen muss der Roman wohl als das bekannteste Werk des Autors gelten, woran die hochkarätig besetzte und durchaus gelungene Verfilmung aus dem Jahr 1999 (Gottes Werk & Teufels Beitrag, Regie: Lasse Hallström, u. a. mit: Toby Maguire, Michael Caine und Charlize Theron) sicher nicht ganz unschuldig ist. Der Schinken erzählt – grob gesagt – das Leben des Waisenkindes Homer Wells. Unterschwellig (und manchmal auch ganz direkt) geht es daneben um die Emanzipation der Frau und das Recht auf Abtreibung. Das war zum Erscheinungsjahr des Romans auch in weiten Teilen Europas kein alter Hut. Heute schon, ganz anders als in den USA, wo das Thema nach wie vor brandaktuell ist und der Trend eher dahin geht, den Frauen das Recht auf Selbstbestimmung über eine Schwangerschaft wieder abzusprechen, bei uns wahrscheinlich der feuchte Traum des einen oder anderen Ultrakonservativen und der Beweis, dass gesellschaftliche Entwicklungen keineswegs immer geradlinig verlaufen. Auf diese sich durch den gesamten Roman ziehende Thematik bezieht sich, ganz anders als im Original, auch der deutsche Titel: Gottes Werk (Empfängnis und Geburt) und des Teufels Beitrag (die ungewollte Schwangerschaft mit all ihren komplexen Problemen).

Der äthersüchtige Arzt und das Waisenkind – Handlungsablauf von Gottes Werk und Teufels Beitrag

Homer Wells wächst in den 30er Jahren als Waisenkind im abgelegenen Waisenhaus Saint Cloudes in Maine in der Obhut von Doktor Wilbur Larch, dem Gründer und Leiter des Waisenhauses, auf. Der nach einer etwas zu langen Selbstmedikation aufgrund einer sexuell übertragbaren Krankheit äthersüchtig gewordene Doktor Wilbur Larch nimmt neben dem Betrieb des Waisenhauses auch Geburten und illegale Abtreibungen vor. Als Jugendlicher hat Homer eine Beziehung zu Melony, der einzig anderen Waise in seinem Alter und bleibt bei Doktor Wilbur, der ihn medizinisch zu unterrichten beginnt. Homer verlässt Saint Clouds schließlich mit dem reichen, jungen Paar Wally Worthington und Candy Kendall, die wegen einer ungewollten Schwangerschaft bei Dr. Larch sind. Mit den beiden geht er nach Ocean View, einer Apfelplantage am Meer, wo er als Pflücker und Mädchen für alles arbeitet. Mit Candy, in die Homer seit ihrer ersten Begegnung verliebt ist, beginnt er ein Verhältnis, nachdem es heißt, Wally wäre im Krieg in seinem Flugzeug in Südostasien abgeschossen worden. Aus der Verbindung geht der in der Abgeschiedenheit Saint Clouds zur Welt gebrachte Sohn Angel hervor. Später taucht Wally in Burma wieder auf und kehrt querschnittsgelähmt nach Ocean View zurück und heiratet Candy. Das Verhältnis mit Homer geht allerdings weiter. Schließlich taucht auch Melony wieder auf und erkennt in Angel den Sohn von Candy und Homer. Derweil beginnt Dr. Larch, der nicht nur alt geworden ist, sondern sich inzwischen auch mit einem Gremium herumschlagen muss, das über die Belange des Waisenhauses mitentscheidet, alles für die Nachfolge Homers an seiner Stelle vorzubereiten. Homer, der Abtreibungen immer skeptisch gegenübergestanden hat, nimmt schließlich selber eine vor, um dem vom eigenen Vater geschwängerten, afroamerikanischen Mädchen Rose zu helfen, in die sich sein Sohn Angel verliebt hat. Am Ende kehrt Homer als falscher Dr. Fuzzy Stone nach Saint Cloud zurück und führt die Arbeit seines Mentors Dr. Larch weiter.

Stil und Rezeption von John Irvings Roman Gottes Werk und Teufels Beitrag

Stilistisch und motivisch bliebt sich Irving auch in seinem 6. Roman treu – Elternschaft, Erwachsenwerden, teils groteske Beziehungskonstellationen, einen Schuss schräge Erotik und starke Frauenfiguren, das alles in klarer, ausholender aber nicht unbedingt poetisierender Sprache gezeichnet und in Szenen bis ins Absurde und zur Groteske gesteigert. Das alles findet man in fast jedem Buch so. Eher im Hintergrund stehen hier das Motiv des Schriftstellers, das er sonst gerne expliziter aufgreift, und das Ringen, eine Leidenschaft Irvings, die es gerne mal in der einen oder anderen Form in die Romane schafft. Besonders ist die doch recht deutliche Konzentration und klare Stellungnahme zu einem gesellschaftlichen Thema – Schwangerschaftsabbruch bzw. Abtreibung – die durchaus von verschiedenen Seiten erzählt und betrachtet wird, bei dem die Einstellung des Autors aber doch klar bleibt und sich am Ende auch in der, der Abtreibung ursprünglich kritisch gegenüberstehenden, Hauptperson durchsetzt. Irving bricht so in einem Roman, in der ein Mann die Hauptrolle spielt, eine Lanze für die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper, ohne ins feministische abzurutschen. Es wäre schön, wenn man den Roman heute – fast vierzig Jahre später – als eine zumindest für die Industrieländer historische Auseinandersetzung zu einer gesellschaftlichen Frage lesen könnte, gerade in der USA, wo der Roman spielt und entstand, ist das Thema heute allerdings fast aktueller, als zur Zeit der Erstpublikation.

Fazit und Verfilmung von John Irvings Roman Teufels Werk und Gottes Beitrag

Kommen wir zum Schinken zurück: Das Buch ist toll, es ist aber auch verdammt lang und eignet sich deshalb vielleicht nicht unbedingt als Einstieg in die erzählerische Welt John Irvings. Man sollte die Besonderheiten dieses Autors schon schätzen, sonst kann das über fast 900 Seiten natürlich schon zur Qual werden. Eine Alternative ist natürlich der Film (s. o.), für den Irving das Drehbuch schrieb und dafür prompt einen Oscar gewann. Wie immer bei Literaturverfilmungen bleibt aber allein aufgrund der möglichen Länge (von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Medien mal ganz zu schweigen) ziemlich viel auf der Strecke.

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