Karen Köhler

Karen Köhler und ihr Roman Miroloi – © Julia Klug

Wenn es um Talente geht, ist der Buchmarkt ja gerne bereit, auch über 40-jährige als „Nachwuchs“ oder Jungautor*innen zu bezeichnen, wie das in der Marketingmaschinerie rund um Karen Köhler gerade der Fall ist. Karen wer?, fragen sie jetzt, nun, Karen Köhler, die gerade ihren ersten Roman „Miroloi“ herausgebracht hat. Ganz ab von der tatsächlichen Qualität des Werkes, schlägt das Buch jetzt schon polemische Wellen im deutschen Feuilleton, weil es sich fast schon bemüht und etwas zu konstruiert dem Modethema Feminismus hingibt – ein bisschen Handmaids Tale mit gewissem Kunstanspruch. Klare Sache: Das wird vom Verlag gepusht, da in Mode und absolut bestsellerverdächtig. Die Polemik wird helfen, immerhin wusste schon Balzac, dass es keine schlechte Presse gibt und Polemik noch besser ist, als einfach eine gut Besprechung. Alle wollen sich dann selbst ein Bild machen – und kaufen das Buch. Dazu aber später mehr, denn wer ist diese mit Literaturpreisen und Stipendien geradezu zugeschüttete Karen Köhler überhaupt?

Schauspielerin, Dramatikerin, Kurzgeschichtentalent – und endlich ein Debütroman

Karen Köhler ist Hamburgerin, aufgewachsen im Stadtteil Barmbek und stammt aus einfachen Verhältnissen. Mutter Altenpflegerin, Vater Feuerwehrmann, Arbeiterkind könnte man sagen, eigentlich gut, dass „so eine“ schreibt. Kommt sonst leider viel zu selten vor. Köhler lernt die Schauspielerei in Bern und arbeitet lange am Theater in festen Engagements oder frei, bevor sie sich ab 2008 auch einen Namen als Dramatikerin macht und einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlicht, der von der Kritik gut angenommen wird. Daneben die ganzen Preise und Stipendien. So ist sie denn nebenbei auch eine echte Kreatur des Förderzirkus rund um „ernsthafte“ Literatur, der seine Licht- wie Schattenseiten hat. Das Prosawerk ist zudem bislang schmal – eine Anthologie mit Kurzgeschichten und jetzt eben „Miroloi“, das solche Wellen schlägt und an dem sich zumindest die Geister der Kritiker*innen scheiden.

Miroloi

In Miroloi geht es um eine junge Frau auf einer kleinen (griechischen) Insel mit eklektisch zusammengebastelten Ritualen, strengen Regeln und mit eindeutig patriarchalischen Strukturen, die sich selbst ermächtigt und sich gegen die Regeln auflehnt. Das ganze kommt als Mischung aus Coming of Age und Dystopie in klaren, kurzen, gut lesbaren Sätzen ohne große poetologische Extravaganzen daher und passt damit – bam! – wie die Faust aufs Auge der modischen Feminismus-Debatte. Sonst noch was? Ach ja: Natürlich verliebt sie sich, natürlich gibt es tausende Widerstände, natürlich eckt die Frau überall an und natürlich setzt sie sich am Ende durch und natürlich werden die Strukturen und Machtverhältnisse offengelegt. Vielleicht ist es das, was viele Kritiker und Kritikerinnen abstößt, auch wenn sie es so häufig nicht schreiben: die Überkonstruktion und die Schwarz-Weiß Zeichnung, die sich fast zwangsläufig aus dieser dystopischen Gegenüberstellung ergibt. Wäre das Thema Feminismus (und Dystopie) nicht gerade derart in Mode, hätte der Verlag (Hanser, München) das Buch vielleicht auch nicht zu seinem Top-Titel samt dem ganzen Marketingrummel gemacht und es hätte mehr Zeit gehabt, gewogen und entdeckt zu werden. So aber stehen sich jetzt Befürwortende (hauptsächlich aber nicht nur, weibliche Kritisierende) und Gegner*innen (hauptsächlich, aber nicht nur, männliche Kritisierende) ziemlich unversöhnlich gegenüber. Was gut ist. Verdammt gut sogar, denn Literaturkritik war in den letzten Jahren doch auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit und eine angeregte – und manchmal biestige – Debatte um so ein Debüt kann da nur gut tun.

Kritische Stimmen – die Polemik rund um Karen Köhlers Debüt Miroloi

Fangen wir mal mit den Verrissen an, denn das ist meistens lustiger: Theresa Heim von der Süddeutschen hat der Roman „ermüdet“ und findet ihn zu „gemacht“, zu konstruiert und das Stakkato der kurzen Sätze passend für ein Theaterstück, nicht aber für ein 500 seitiges Prosawerk. Deutlich härter geht Burkhard Müller von der Zeit mit Karen Köhlers Debüt ins Gericht. Sprachlich unbedarft, wenig plausibel, eindimensionales Handlungspersonal, das Fazit nach 500 Seiten – “ein Stück naive Malerei – Hier stellt sich eine dümmer als sie ist”.

Ganz anders sehen das die Verteidiger*innen des Romans, allen voran Ursula März, die „Miroloi“ für Deutschlandradio Kultur gelesen hat. Sie liest das Buch als „Befreiung“, als poetisch und anschaulich gelungene „Saga“, die universell und gleichzeitig konkret sei (was auch immer das heißen soll). Sandra Kegel von der Frankfurter Allgemeinen verteidigt Setting und Inhalt des Romans, die beide für sie „Sinn machen“ und ein Nachdenken über autoritäre Strukturen ermöglichen, hätte sich aber auch etwas mehr „Ambivalenz“ gewünscht.

Neben diesen beiden Polen gibt es nur wenige gemäßigte Stimmen und wenn, dann kommen sie nicht selten in Form eines irgendwie vergifteten Lobes daher. Mal lobt man die ironiefreie Einfachheit der Sprache (wo man sich dann doch fragt, ob das eigentlich noch ein Kompliment oder schon eine Beleidigung ist), dann wieder zeigt sich jemand erstaunt über die „Liegestuhltauglichkeit“ zeitgenössischer Literatur.

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