Rausch (Kurzgeschichte)

Raus aus der Bar. All die Leute… Schweiß. Tabakrauch. Schnell den Drink runterkippen. Der Wievielte eigentlich jetzt? Egal. Nur loskommen. Raus an die frische Luft. Geld auf den Tresen, 50er – stimmt so. Lächeln des Barkeepers, zu viel Trinkgeld oder was… der Arsch. Nachts bist du für die doch nur ein laufendes Portemonnaie. Ohne die Touristen und die Trinker und die Menschen wie mich geht diese Stadt doch vor die Hunde. Scheiße. Alles dreht sich. Na wenn schon. Zähne zusammenbeißen und ab dafür. Hatte ich eigentlich einen Mantel? Nein. Zu warm dafür heute. Nach links und rechts lächeln und immer schön einen Fuß vor den anderen. Noch ein paar Meter, die Tür, frische Luft, ein letzter Schritt, draußen, geschafft.

Fuck it. Kein Taxi in Sicht. Selber laufen geht gar nicht. Da ist ‘ne Bank. Setzen. Sitzen. Unter den kleinen struppigen Bäumen. Wie hingerotzt und fürs Postkartenmotiv gepflanzt, aber bitte billig. Mein Gott. Ich glaub, mir wird schlecht. Wie hieß der noch mal von vorhin. Ach vergessen. Seltsames Exemplar, der Kunde, aber wirklich. Labert und labert und labert und kommt nicht vom Fleck. Loser. Jetzt nur keinen Schluckauf bekommen. Wo ist denn nur mein scheiß Handy. Na, jetzt heißt´s – Hallo Taxi. Haha – was die wohl sagen werden. Sitze auf der Bank da und da. Gleich bei den struppigen kleinen Scheißbäumen. Denken bestimmt – wieder jemand, der zu viel gesoffen hat. Klar zu viel gesoffen. Sonst kann ich ja in meiner Karre fahren, wenn ich nicht saufe. Boah, ist mir schlecht. Courage!

Hallo Taxi? … Ja, also, ein Taxi bitte, zum Gendarmenmarkt … na da Seite Friedrichstraße, bei den abgerupften, rattigen kleinen Bäumen … Was? Ja, natürlich bin ich betrunken. Wofür brauche ich sonst ihr blödes … nein, ich sitze auf einer Bank. … Jawoll ja. … Friedrich mit Nachnamen. Gut … in fünf Minuten? Geht das nicht schneller? Das ist doch ‘ne Frechheit so was. … Sie verbitten sich den Ton? Hör mal gut zu du Tussi, ich bin Stammkunde! … Hallo? Hallo Taxi?

Einfach aufgelegt. Mist. Jetzt dreht sich auch wieder alles. Und keine andere Nummer gespeichert. Und mir ist schlecht. Was jetzt? Warten? An einen dieser struppigen Bäume kotzen und hoffen, dass es besser wird? Laufen geht mal gar nicht. Also sitzen bleiben. Und eine rauchen. Wo sind meine Zigaretten? Ah da. Gut. Und Feuer. Nein, ich hab nicht mein Feuer in der Bar liegen lassen. Echt nicht, oder? “Ey du, hast du Feuer?” – guckt mich an wie ein Stück Brot. Der Arsch. Na, aber immerhin Feuer. Phew. Wieso kommt denn kein Taxi? Ob ich hier auf der Bank schnell ‘ne Line zieh? Irgendwie ist das ja kein Zustand. Hier sitzen und Selbstgespräche führen wie Gustl, mein liebster Leutnant. An der schöööönen blauen Dooonauuu… Vielleicht einfach mal aufstehen und ‘ne Runde um den Platz drehen. Oder auch nicht. Taaaaxiiii!

Schnell die Tür auf und hinten rein setzen, bevor der noch mitkriegt, wie voll ich bin. Ist mir schon passiert – Sie fahre ich nicht. Haben Angst, dass man Ihnen ins Auto kotzt. Muss auch ätzend sein, das dann wieder sauber zu machen. “Fahren sie einfach los.” – Wie schön die Stadt nachts um drei hier ist. Die Lichter überall, die Laternen mit ihrem Lichtschleier, der Fahrtwind, der durchs Fenster reinkommt. Die Friedrichstraße runter, Unter den Linden rein, rauf zum Pariser Platz. Man ist viel zu wenig draußen unterwegs hier in der Nacht. Es ist ja immer nur rein in die Bar, trinken, raus, Taxi, nächste Bar oder Club – wer weiß, schließlich ist man kein Student mehr, der mit ‘nem Sternburg durch die Nacht läuft. Schlimmer. Man hat es irgendwie geschafft. Und dann ist man wirklich allein. Pariser Platz. “Halten Sie bitte.”

Geld rüberreichen, aussteigen, loswanken. Das Adlon hat mich auch schon immer genervt. Kein besserer Platz in der Welt. Also in den Mülleimer kotzen. Man hält ja auf sich und kotzt nicht auf den roten Teppich. Haha. Aber man, ist das widerlich. Ich brauch ‘n Drink, um den Geschmack wegzukriegen. Aber gibts hier noch was? An den schönsten Ecken ist es ja immer todlangweilig nach zehn Uhr abends. Und zum Aufreißen läuft hier bestimmt auch nichts rum. Letzte Chance. Morgen ist dann Katzenjammer angesagt und am Montag geht es wieder ab ins Büro. Lächeln links, Lächeln rechts, Meeting, Mitarbeiter motivieren, die Zahlen kontrollieren, gegen zehn die Zeitung durchgehen, ab Elf dann Termine.

Das Geschäft brummt. Niemand verlässt sich noch auf sich selber. Gut so.

Eigentlich ist das Brandenburger Tor doch nur in der Nacht akzeptabel. Tagsüber wirkt es unglaublich öde. Na wenn schon und ab dafür. Wollte schon immer unterm Brandenburger Tor pissen. Ahhhhh – das tut gut. Ganz allein hier. Auf dem Kreisel fährt ab und an ein Taxi vorbei. Wie spät? Vier Uhr fast. Guten Morgen Berlin – caput mundi. Na zumindest, wenn es um Kunst und Partys geht. Hier kriegen sie alles, wofür sie im letzten Jahr geschuftet haben. Nutten, Koks, Berghain und Kultur und das alles auf einem kleinen Scheißhaufen. Kein Wunder, das alle her kommen und nachher schwärmen, wie toll die Stadt ist. Lebst du hier, ja dann… Aber lassen wir das. Ich will weiter trinken. Was ist schon der Sinn von einem angebrochenen Abend.

Der Tierpark links und rechts. Dunkel. Verwunschen. Man meint, die haben die Laternen schon ausgeschaltet. Aber wahrscheinlich geht nur die Hälfte. Oder die Stadt will stromsparen. Was fährt denn der so langsam. OHV. Aha. Oder – Havelland. Auch nicht die beste Adresse. “Denkst du, ich geh auf den Strich, Wixer, oder was?”

Da fährt er weg und kurbelt schnell das Fensterchen wieder hoch. Mitte fünfzig und graue Windjacke, dazu Kassengestell. Zu Hause wartet Frauchen. Na ja. Der hat sich sein Leben ja vielleicht auch anders vorgestellt als Häuschen mit Garten. Geld für Sex. Habe ich noch nie gemacht. Weder gekauft noch verkauft. Ist bestimmt Spaß, aber irgendwie… Ah, das russische Dings mit den Panzern. Sieht ja irgendwie geil aus. Ob ich da raufklettere?

Doch lieber noch ein Taxi. “Zum nächsten Späti und los!” Der Fahrer ist jung. Vielleicht noch Student. Philosophie. Das ist es oft. Na ja. Keine Lust zu reden. Hallo Else. Und weiter, Schlösschen Schöner Blick zur Linken und Richtung Moabit. Irgendwie der vergessene Stadtteil. Sie reden jetzt alle von Tempelhof. Das ist das nächste Ziel. Neukölln, well, das ist durch. Fast. Nur noch Künstler und Amis und noch mehr Künstler und Assoziierte. Ein, zwei Jahre Party in Berlin, danach entweder was Anständiges machen oder es wird doch noch was mit der Karriere. Aber gut. Die Karawane zieht weiter. Irgendwann ist auch Moabit dran – “Warten sie hier, bin gleich wieder da.”

Whisky aus der Flasche. Rauchig, bitter, tut gut. Man möchte lachen und lacht. Oder?

“Und was machst du so, wenn du nicht durch die Nacht fährst?”

Mein süßer Fahrer lächelt mich über den Rückspiegel an. Schreiben also. Das ist auch so eine Antwort. Am liebsten würde ich ihn mit nach Hause nehmen. Ein bisschen Nähe schadet ja auch nicht. Ein Fick am Ende der Nacht – und das wars. Und ganz ansehnlich sehe ich ja auch noch aus. Gut, die Titten könnten knackiger sein, aber mein Hintern kann noch mithalten. “Nach Steglitz mein Lieber. Und erzähl mir von deiner Arbeit.” Was bleibt schon sonst noch. Morgen ist Katzenjammer angesagt. Montag geht es ins Büro. So oder so.

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