Thriller dir einen

Mit Thriller ist hier das Genre gemeint, natürlich, und nicht der Michael Jackson Song, auch wenn der ziemlich gut ist. Soweit Genres gehen, ist der Thriller eine noch relativ neue Erfindung, die man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verorten kann. Seitdem ist der Aufstieg des Thrillers von einer neuen Literatur- und Filmgattung zu einem inzwischen doch festen Bestandteil der schriftlichen und visuellen Kultur allerdings ziemlich atemberaubend. Dabei ist der Thriller als Genre inspiriert sowohl von Kriminal- als auch Horror-Themen, bei letzteren neben den älteren viktorianischen auch die neueren, vielleicht noch fantastischeren Ausprägungen amerikanischer Art á la Howard Lovecraft und Konsorten. Anders als bei einem klassischen Kriminalroman oder einer klassischen Horrorstory, die jeweils ihren eigenen Regeln folgen, setzt der Thriller (noch) mehr als diese auf Spannung, englisch: thrill, von dem das Genre auch seinen Namen hat. Typisch sind dabei lange Spannungsbögen, falsche Fährten (so genannte red herrings) und eine zumeist einfache, klare Sprache.

Der Thriller, das ist meist ein Unterhaltungsroman par excellence, der sich selbst nicht zu ernst nimmt und vor allem Spaß machen soll. Dabei werden durchaus auch Anlehnungen an das Kriminalgenre (häufig geht es um eine – irgendwie geartete – Verfolgung eines Killers bzw. Psychopathen) getätigt. Seltener, aber nicht unbedingt ungewöhnlich, sind Anlehnungen an die sozusagen fantastischen Elemente des Horror-Genres, so dass die Grenzen mitunter fließend sind, wie man es teilweise am Werk Stephen Kings beobachten kann. Dieser wird zwar zurecht als Horror-Schriftsteller gewertet, bedient sich aber in seinen Romanen nicht selten den spannungserzeugenden Techniken des Thrillers. Als Subgenres sind vor allem Psychothriller (häufig mit Anlehnung an Krimis), Polit-Thriller (insbesondere während des kalten Krieges üblich, heute eher selten) und die so genannten Erotik-Thriller, wobei letztere vor allem ein filmisches Genre sind. Sprachlich wiederum kann man in Thrillern teils Anklänge an die so genannte „Hard Boiled“ Literatur finden, das üblichste Merkmal ist jedoch eine an Metaphern eher arme, geradlinige Sprache.

Film

Der Siegeszug des Thrillers, heute eine der sich am besten verkaufenden Literaturgattungen, ist eng mit der Filmgeschichte verbunden. Regisseure wie Alfred Hitchcock machten den Thriller ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sozusagen zu einem Massenphänomen. Während Hitchcock seinerzeit mit „Die Vögel“, „Psycho“ oder „Vertigo“ noch vor allem auf psychologische Momente und Effekte setzte, mischen zeitgenössische Filme des Thriller-Genres vermehrt auch auf visuelle Schockeffekte, wie sie sonst eher bei Horrorfilmen eingesetzt werden.

Alfred Hitchcock machte den Thriller im Fernsehen zum Massenphänomen

Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei häufig die Filmmusik ein, durch welche geschickt Spannung erzeugt wird, selbst wenn die Kamera gar keine wirkliche Handlung zeigt. Die Verbindung mit Erotik wiederum – hier kann stellvertretend der Filmklassiker „Basic Instinct“ genannt werden – ist aus filmischer Sicht nur ein logischer Schritt, basieren insbesondere Hollywood Filme doch in Aufbau wie innerer Logik bis zu einem gar nicht so geringen Grad auf der Theorie des (altgriechischen) Theaters  und einer Verbindung der zwei großen Menschheits- und Literaturthemen Eros (Liebe und Sex) und Thanatos (Tod und Vergehen).

Literatur

Der Thriller ist ein insbesondere im englischsprachigen Raum seit den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts häufig anzutreffendes Genre in der zeitgenössischen Literatur. Herausragende Vertreter gibt es gleich eine ganze Reihe, darunter Patricia Highsmith, Tom Clancy oder, von der jüngeren Generation, Dan Brown. Insbesondere seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts werden auch im skandinavischen Raum mehr und mehr Thriller produziert, die häufig starke Anleihen am Krimi-Genre nehmen. In Frankreich, wo der „policier“, der Kriminalroman, auf eine lange und stolze Geschichte zurückblickt, sind dezidierte Thriller eher selten, wohl auch, weil viele dieser eben eher als „policier“ klassifiziert werden. Eine Ausnahme macht hier noch am ehesten Jean-Christophe Grange, der mit Büchern wie „Die purpurnen Flüsse“ oder „Das schwarze  Blut“ echte, knallharte Thriller schreibt, die auch international zum Teil sehr erfolgreich sind.

Einige der bekanntesten Thriller der Geschichte

Die Neuen – aktuelle Thriller und wie sie funktionieren

Wenn man sich neuere Thriller anschaut – und natürlich kann man da nur eine kleine Auswahl an die Hand nehmen – fällt einem beim Lesen doch recht schnell auf, mit welch unterschiedlichen Strategien und Haltungen die Autoren den „thrill“ aufbauen und ihr Publikum zu bannen versuchen. Nicht selten geht es dabei auch gleich mit darum, diese für die nächsten geplanten Bücher zu begeistern, denn Thriller werden heute gern in Serie rund um eine (oder einige) Hauptfiguren konzipiert. Und wirklich: diese Mischung aus Abschluss und offenem Ende, wie man sie sonst von Fernseh-Serien kennt, funktioniert häufig ziemlich gut, wenn einem der vorliegende Thriller denn überhaupt gefällt. Für Autoren und Verlage sind solche Serien natürlich eine Win-Win Situation, wenn sie funktionieren. Als hauptsächlich unterhaltendes Vehikel, in dem – zumindest heutzutage – nur eher selten auch gesellschaftliche Problematiken und Diskurse ernsthaft aufgenommen werden, ist auch die Beschränkung auf eine einfache, allen verständliche und leicht zu lesende Sprache wichtig. Aber auch hier gibt es durchaus Unterschiede von Autor zu Autor.

Besonders interessant stellte sich beim Lesen „Die Brut – Sie sind da“ (2016) des US-Amerikaners Ezekiel Boone heraus. Perspektivwechsel, Einschübe, Sprünge und eine klar an den „Hard Boiled“ Kriminalgeschichten geschulte, irgendwie schnodderige Sprache mit gut gesetzten Eigenheiten, die dem Stil einen hohen Wiedererkennungswert geben, lassen den Roman stellenweise beinahe zu ernster Literatur werden. Irgendwie aber eben auch nicht und dies liegt insbesondere an der Story, die spannend ist, klar aber irgendwie aber auch nicht mehr. Es geht um eine weltweite Katastrophe, Spinnen (Iiiih!), eine dieser typisch zweidimensionalen, mit Klischees überhäuften, starken Frauenfiguren und natürlich einen harten Cop, einen echten Mann (mit Knarre, klar) und es wird auch klar, dass die beiden im zweiten Teil der Reihe (Die Brut – Die Zeit läuft) natürlich was miteinander anfangen werden. Hinzu kommen Atombomben, die amerikanische Präsidentin, und das – zumindest angeteaserte – Ende der Welt. Drunter ging es nicht. Schade. Trotzdem kein schlechtes Buch für ein paar kalte Winternächte am Kamin.

Ganz anders geht die US-Amerikanerin Karin Slaughter (was für ein Künstlername für eine Thriller-Schreiberin!) in ihrem Roman „Vergiss mein nicht“ (2004) vor. Auch hier bleiben die Hauptpersonen hauptsächlich zweidimensional, diesen wird aber deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet und es wird eingehender auf deren inneren Konflikte eingegangen, so dass diese schon ein bisschen „Fleisch“ auf den Knochen haben. Auch geht es bei Slaughter nicht um irgendwelche weltweiten Verwicklungen und apokalyptischen Katastrophen, sondern um eine Kleinstadt in einem eher ländlichen County im US-Bundesstaat Georgia, um Kindesmissbrauch, Mord, Selbstmord und so weiter. Der Roman steht dabei einem klassischen Kriminalroman recht nahe, erzeugt seine Spannung allerdings hauptsächlich durch Schock-Momente, ziemlich haarsträubende Wendungen und die Furchtbarkeit der Vorgänge und nicht, wie dies bei einem klassischen Kriminalroman eher üblich wäre, aus den Ermittlungen. Natürlich darf in guter Hollywood-Manier auch hier eine ehrlich gesagt ziemlich überflüssige Love-Story, die irgendwie so nebenher läuft, nicht fehlen. Das mindert den Genuss nicht, irgendwie kann man sich aber auch dem Gefühl nicht verwehren, dies sei direkt in Hinblick auf eine mögliche Verfilmung eingebaut worden, um es den Drehbuchschreibern einfacher zu machen, denn kein Hollywood-Film ohne eine allzu häufig arg konstruierte und überflüssige Love-Story…

Der dritte Thriller, bzw. Thriller-Reihe, die hier kurz vorgestellt werden soll, ist vielleicht die am Ende handwerklich und von der Figurenführung her gelungenste. Das englische Autorenpaar Nicci Gerard und Sean French veröffentlicht seit 1997 Krimis und Thriller unter dem Pseudonym Nicci French, die die beiden gemeinsam schreiben. Ihre neueste „Serie“ dreht sich um die Hauptfigur Frieda Klein, eine in London ansässige Psychologin, die erst durch Zufall, später durchaus, weil sie diese Art der Arbeit irgendwie braucht, mit der Londoner Kriminalpolizei zusammenarbeitet. Die Autoren bleiben bei den zwei Bänden „Eisiger Dienstag“ (2012) und „Schwarzer Mittwoch“ 2013, zwei der inzwischen acht Romane mit Frieda Klein als Hauptfigur, nah an ihrer Protagonistin, die man als Leser so nach und nach besser und besser kennen lernt. Und irgendwie wächst einem diese – selbst ziemlich verkorkste – Frieda Kleinmit der Zeit wirklich ans Herz. Der Thrill, die Spannung selber ist in diesen Büchern weniger deutlich im Vordergrund, als bei den beiden anderen hier kurz vorgestellten Thrillern. Anders als dies zu erwarten ist, brechen die Autoren das nicht übers Knie, sparen mit Schockern, legen dafür aber haufenweise falsche Fährten, denen man als Leser durchaus auch schon mal auf den Leim geht. Insgesamt ist es aber eher die Stimmung, die erzeugt wird, die Hauptperson, die man lieb gewinnt, und die fast schon gemütliche Spannung (mit Spitzen, versteht sich), die das besondere und das lesenswerte an dieser Reihe ausmachen und einen durchaus verführen können, im Anschluss gleich das nächste Buch zu kaufen, um wieder mit Frieda bei irgendeiner schrägen Ermittlung durch das schöne London zu streifen.

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