Lieblingslektüre – Susanne

 

Wir statten leidenschaftlichen Leser*innen einen Besuch ab und fragen sie nach ihrer Lieblingslektüre: Welche Bücher lesen sie aktuell, für welche Themen interessieren sie sich und welche Werke haben sie nachhaltig beeindruckt oder gar beeinflusst? An dieser Stelle teilen sie ihre literarischen Schätze mit Euch.

Susanne Baade

Fotografin und Art Direktorin bei The Smiling Moon

Fotos by: Silje Paul

 

„Alles, was über das klassische Abbild von Welt hinausgeht, fasziniert mich.“

 

Die 40 Geheimnisse der Liebe stammt von der türkischen Autorin Eli Shafak. Eine Schriftstellerin, Feministin und Rebellin, die ich sehr schätze. Der Roman erzählt die Geschichte der Amerikanerin Ella, die mit ihren drei Kindern in einer amerikanischen Kleinstadt lebt und dort ziemlich unglücklich ist. Soweit die Rahmenhandlung, die meiner Meinung nach ein wenig kitschig geraten ist. Doch dank eines Manuskripts, das Ella, die als Lektorin arbeitet, eines Tages in die Hände bekommt, taucht sie tief in die Geschichte des Sufi-Dichters und Mystikers Rumi ein. Dieser zweite Handlungsstrang ist sehr bewegend: Rumi trifft den Derwisch Shams und dieser weist ihn in die Geheimnisse der Liebe ein, in die Geheimnisse der mystischen Liebe zum Göttlichen und zur Welt. Der Begriff ‘Liebe’ wird inzwischen ja gerne inflationär verwendet. In diesem Buch geht es jedoch um die tiefe Verbindung zum Göttlichen, die man nur erspüren kann, wenn man bereit ist, das Ego und alle Konditionierungen hinter sich zu lassen. Genau das erzählt ‘Die 40 Geheimnisse der Liebe’ sehr eindrucksvoll.

 

Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens ist eine sehr berührende Coming-of-Age-Geschichte, die in den Sümpfen von North Carolina spielt. Es geht um ein Mädchen, Kya, das mit einem sehr despotischen Vater in ärmlichsten Verhältnissen aufwächst. Im Alter von zehn Jahren wird sie schließlich auch von ihm verlassen und lebt vollkommen alleine in diesem Sumpf, nur umgeben von der Natur, den freundlichen Möwen und einzelnen Begegnungen mit einem Händler, der ihr Muscheln abkauft. Wie sich Kya durchschlägt, obwohl sie von der Dorfgemeinschaft wie eine Aussätzige behandelt wird, hat mich zutiefst berührt. Im zweiten Teil des Buches geht es darum, wie das zur jungen Frau herangewachsene Mädchen die Liebe entdeckt und lernt, die Gefühle des Verlassenwerdens und der Einsamkeit zu überwinden. 

 

Sven Stillich ist ein Autor, mit dem ich bei der Zeitschrift ‘Stern’ zusammengearbeitet habe und dessen Blick für Details mich immer wieder beeindruckt. Vor anderthalb Jahren ist sein Buch Was von uns übrig bleibt erschienen. Darin untersucht er die Spuren menschlicher Existenz. Was bleibt, wenn man geht? Was sind echte und was sind falsche Erinnerungen? Er führt dabei wunderbare Beispiele an. Etwa wie Paare Teile ihres Gehirns quasi auslagern. So muss ich beispielsweise nicht wissen, wo sich bestimmte Unterlagen befinden, weil mein Partner das weiß. Das Buch ist wahnsinnig gut geschrieben und weit mehr als ein Sachbuch.

 

Ich lese außerdem sehr gerne spanische und portugiesische Literatur. Bücher und Sprache vermitteln ja immer einen Einblick in eine andere Welt. Wenn man Autoren aus anderen Kulturkreisen liest, kriegt man automatisch andere Blickwinkel gespiegelt. Vor allem die lateinamerikanische Literatur ist gespickt von dem sogenannten ‘Realismo Magico’, so wie in den Romanen von Gabriel García Márquez, Isabel Allende und Jorge Luis Borges. Alles, was über das klassische Abbild von Welt, Psyche und Ego hinausgeht und einem das Gefühl vermittelt, dass es da noch mehr gibt, fasziniert mich.

 

Credits:

Protokolle: Lesley Sevriens / Fotos: Silje Paul

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